19.10.2024
Diplomatie neu gedacht: Deutschlands innovative Botschafter in Kanada

Jobsharing im Auswärtigen Amt: Warum Deutschland jetzt zwei Botschafter in Kanada hat

Im September 2024 wird Deutschland in Kanada mit einem innovativen Ansatz in der diplomatischen Vertretung aufwarten: Tjorven Bellmann und Matthias Lüttenberg werden gemeinsam die Botschaft in Ottawa leiten. Diese ungewöhnliche Besetzung stellt einen bedeutenden Schritt in der Diplomatie dar, da es sich um ein Jobsharing-Modell handelt, das in der deutschen Außenpolitik neu ist. Das Ehepaar, das mit seinen drei Kindern nach Kanada gezogen ist, wird die Bundesrepublik im zweitgrößten Land der Welt vertreten.

Das Konzept des Jobsharings wurde unter der Leitung von Außenministerin Annalena Baerbock eingeführt, um Gleichstellung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Bellmann, die zuvor zur politischen Direktorin im Auswärtigen Amt ernannt wurde, und Lüttenberg, der als Direktor für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien tätig war, sehen in diesem Modell eine Möglichkeit, Karrierechancen für Diplomaten zu schaffen, ohne dass die Familien darunter leiden müssen.

Flexibilität und Gleichstellung im Fokus

Das Jobsharing-Modell ist auf einen Zeitraum von acht Monaten angelegt. In dieser Zeit wird eine Person die Rolle des Botschafters übernehmen, während die andere sich hauptsächlich um die Familie kümmert. Nach Ablauf dieser Zeit erfolgt ein Wechsel der Rollen. Diese Struktur ermöglicht es beiden Partnern, ihre beruflichen Verpflichtungen zu erfüllen und gleichzeitig ein aktives Familienleben zu führen.

Die Kinder des Paares sind im Alter von 10, 12 und 15 Jahren, was die Notwendigkeit einer ausgewogenen Work-Life-Balance unterstreicht. Das Auswärtige Amt hat erkannt, dass die Anforderungen an Diplomatenfamilien hoch sind, insbesondere bei häufigen Umzügen und den damit verbundenen Herausforderungen. Dieses neue Modell könnte dazu beitragen, die Attraktivität des Auswärtigen Amtes als Arbeitgeber zu erhöhen, insbesondere für junge Kolleginnen und Kollegen, die Wert auf eine ausgewogene Lebensgestaltung legen.

Ein Vorbild für andere Länder?

Kanada ist nicht das erste Land, in dem ein solches Modell umgesetzt wird. Zuvor gab es bereits ähnliche Ansätze in Slowenien und Schweden. Die Umsetzung des Jobsharing-Konzepts erfordert jedoch auch die Zustimmung des Gastlandes, da die Zusammenarbeit mit zwei Botschaftern potenziell komplex sein kann. Bellmann betont, dass das Auswärtige Amt als Arbeitgeber konkurrenzfähig bleiben muss, um talentierte Diplomaten zu gewinnen und zu halten.

Die Botschafter in Ottawa sind sich bewusst, dass sie in der diplomatischen Gemeinschaft auf großes Interesse stoßen werden. Sie erwarten, dass ihre ungewöhnliche Arbeitsweise sowohl von anderen Diplomaten als auch von kanadischen Vertretern genau beobachtet wird. Lüttenberg hebt hervor, dass es wichtig ist, die Rollenverteilung klar zu definieren, insbesondere wenn es zu unterschiedlichen Meinungen über diplomatische Strategien kommt. In solchen Fällen ist es entscheidend, dass die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind, um Missverständnisse zu vermeiden.

Herausforderungen und Chancen

Das Jobsharing-Modell ist nicht nur eine Antwort auf die Herausforderungen, die mit dem Diplomatenberuf verbunden sind, sondern auch eine Chance, neue Wege in der Diplomatie zu beschreiten. Es könnte als Vorlage für zukünftige Besetzungen in anderen Ländern dienen und dazu beitragen, die Gleichstellung der Geschlechter in Führungspositionen weiter voranzutreiben. Die Botschafter in Kanada sind überzeugt, dass ihr Ansatz nicht nur für ihre eigene Familie, sondern auch für die Diplomatie insgesamt von Vorteil sein kann.

In der Residenz der deutschen Botschaft in Ottawa wird das Botschafterpaar mit seinen Kindern leben. Ihre gemeinsame Amtszeit könnte nicht nur die Wahrnehmung der deutschen Diplomatie in Kanada verändern, sondern auch als Modell für andere Nationen dienen, die ähnliche Herausforderungen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angehen möchten.

Die ersten offiziellen Aufgaben als Botschafterin und Botschafter werden im September beginnen, und bis dahin werden Bellmann und Lüttenberg weiterhin ihre innovative Arbeitsweise erläutern müssen. Das Interesse an ihrem Modell könnte dazu führen, dass andere Länder ähnliche Ansätze in Betracht ziehen, um die Herausforderungen des diplomatischen Dienstes zu bewältigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Jobsharing im Auswärtigen Amt nicht nur eine neue Herangehensweise an die diplomatische Vertretung darstellt, sondern auch ein Schritt in Richtung Gleichstellung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einem traditionell männerdominierten Bereich. Die Botschafter in Ottawa könnten somit nicht nur für Deutschland, sondern auch für die internationale Gemeinschaft ein inspirierendes Beispiel sein.

Quellen: Zeit Online, Handelsblatt, Kurier.

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