19.10.2024
DrugChecking in Berlin Zwischen Hoffnung und Herausforderungen

Drug-Checking in Berlin: Ein neues Kapitel der Drogenpolitik?

Levamisol, ein Medikament gegen Darmparasiten bei Tieren, ist ein häufiger Bestandteil von Kokain auf dem Schwarzmarkt. Der Konsum kann beim Menschen zu schweren Nebenwirkungen führen. Dieses Beispiel verdeutlicht die Problematik verunreinigter Drogen, mit der sich Konsumenten konfrontiert sehen. In Berlin gibt es seit kurzem ein neues Angebot: Drug-Checking. As reported by the Frankfurter Allgemeine Zeitung, können Konsumenten ihre Drogen anonym und legal auf ihre Zusammensetzung und ihren Wirkstoffgehalt untersuchen lassen.

Tibor Harrach, Leiter der Drogenberatungsstelle „Vista“ in Berlin-Kreuzberg, weiß um die Gefahren verunreinigter Drogen. „Solche Verunreinigungen sieht man weltweit“, sagt er. Einmal pro Woche können Konsumenten in der Beratungsstelle ihre Drogen abgeben. Getestet werden die Proben im Landesinstitut für Soziale und Gerichtliche Medizin. Das Ergebnis erhalten die Konsumenten innerhalb weniger Tage – anonym und mit Beratungsangebot. „Oft raten wir davon ab, das Rauschgift zu nehmen“, so Harrach. Im vergangenen Jahr seien 45 Prozent der abgegebenen Proben auffällig gewesen, in diesem Jahr seien es bereits 55 Prozent. Besonders häufig fänden sich hoch dosierte Ecstasy-Tabletten.

Möglich wurde das Drug-Checking in Berlin durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2023. Der Bundestag beschloss, dass Bundesländer künftig Modellprojekte zum Drug-Checking einrichten können. Für den Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), ein wichtiger Schritt: „Mit der Erlaubnis für die Länder, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind wir in der Drogenpolitik einen wichtigen Schritt weitergekommen: weg von der Ideologie, dass Drogenkonsumierende selbst schuld seien, hin zu mehr Schutz und mehr Hilfe“, sagte er der F.A.Z..

Lange Zeit wurde befürchtet, dass Drug-Checking den Drogenkonsum fördere, da es ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln könnte. Blienert hält dagegen: „Es geht nicht darum, jemanden einen Freifahrschein für sicheren Drogenkonsum zu geben.“ Vielmehr solle Drug-Checking ein Warnsignal senden: „Achtung, dass was ihr da schlucken wollt, enthält ganz andere Substanzen, als ihr denkt. Seid vorsichtig, oder lasst es besser bleiben.“

Drug-Checking: Ein Vorbild aus Österreich

Im Bereich Drug-Checking hinkt Deutschland hinterher. In anderen Ländern, wie der Schweiz, Spanien, Portugal oder England, gibt es bereits seit Jahren entsprechende Angebote. Auch in Österreich ist Drug-Checking etabliert. Die Drogenberatungsstelle Z6 in Innsbruck gilt dabei als Vorzeigeprojekt. „Wir gehen davon aus: Wenn jemand beschlossen hat, zu konsumieren, dann wird er das auch tun“, sagt Gerhard Jäger, Geschäftsführer der Z6. Drug-Checking biete die Möglichkeit, zu wissen, was man konsumiert.

Seit zehn Jahren ist Drug-Checking fester Bestandteil der Drogenberatung bei der Z6. Die Kosten für die Tests übernimmt das Land Tirol. Eine Besonderheit: Oft kämen Konsumenten nach einem schlechten Trip zum Drug-Checking, weil sie die Droge dafür verantwortlich machen. Nicht immer bestätigt sich dieser Verdacht. „Dann können wir super mit dem Suchtdreieck arbeiten“, sagt Jäger. Das Dreieck, bestehend aus „Drug“, „Set“ und „Setting“, verdeutlicht, dass neben der Droge auch die persönliche Verfassung und das Umfeld Einfluss auf die Wirkung haben. Das Drug-Checking diene dann als „Reflexionsrahmen“. Viele Konsumenten nähmen anschließend weitere Beratungsangebote wahr.

Hoher Bedarf in Berlin

Die Nachfrage nach Drug-Checking ist auch in Berlin groß. Neben der stationären Beratungsstelle von „Vista“ gibt es noch zwei weitere Anlaufstellen in Charlottenburg und Neukölln. Die Finanzierung des Projekts ist jedoch knapp bemessen. Ursprünglich sollten die Mittel für das Drug-Checking im kommenden Jahr sogar gekürzt werden. Nach Protesten der Trägervereine bleiben die Mittel nun aber auf dem bisherigen Niveau. „Deshalb brauchen wir mehr Mittel“, fordert Ulrike Scherling von der Drogen- und Suchtberatung Vista. Nur so könne man der großen Nachfrage gerecht werden.

Ein weiteres Problem: Derzeit ist Drug-Checking in Drogenkonsumräumen nicht gestattet. Die derzeitige Rechtsverordnung stammt aus dem Jahr 2002 und muss erst noch angepasst werden. „Mit Drug-Checking im Drogenkonsumraum würden wir auch intravenös konsumierende Menschen erreichen“, sagt Anette Hofmann, Sozialpädagogin bei Fixpunkt.

Das Drug-Checking-Projekt in Berlin steht noch am Anfang. Die hohe Nachfrage zeigt jedoch, dass ein großer Bedarf besteht. Ob sich das Angebot langfristig etablieren kann, hängt nicht zuletzt von der Finanzierung und der rechtlichen Grundlage ab.

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