September 24, 2024
Ex-Priester im Fokus der Justiz wegen Kindesmissbrauch über Videochat

Kindesmissbrauch über Videochat - Ex-Priester vor Gericht

In Fulda steht ein ehemaliger katholischer Pfarrer vor Gericht, der beschuldigt wird, über eine Videochat-Plattform gezielt Kinder und Jugendliche kontaktiert und ihnen kinderpornografische Videos vorgespielt zu haben. Die Anklage umfasst insgesamt 71 Fälle, die zwischen September 2021 und Juli 2022 im Landkreis Fulda stattgefunden haben sollen. Der Angeklagte, ein 43-jähriger Mann, nahm die Anklageverlesung fast regungslos zur Kenntnis, während die Staatsanwaltschaft die Details der Vorwürfe darlegte.

Die Vorwürfe beinhalten, dass der Angeklagte sowohl mit minderjährigen Jungen als auch Mädchen in Kontakt trat und ihnen Videos zeigte, in denen Kinder und Jugendliche nackt posierten, tanzten oder sexuelle Handlungen an sich selbst und anderen durchführten. In einigen Fällen soll er die Kinder und Jugendlichen aufgefordert haben, sich auszuziehen oder sexuelle Handlungen an sich selbst auszuführen. In neun Fällen wird sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt angenommen.

Ermittlungen und Anklage

Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Pfarrer wurden im Mai 2022 durch einen Hinweis der US-amerikanischen Organisation „National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC)“ angestoßen. Der Mann geriet unter Verdacht, kinderpornografisches Material über das Internet zugänglich gemacht zu haben. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde er von seinen kirchlichen Pflichten suspendiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat die Schwere der Vorwürfe betont und erklärt, dass der Angeklagte Hunderte von Fotos und Videos besessen habe, die während der Videochats mit den Opfern gespeichert wurden. Sollte er für alle Taten verurteilt werden, könnte ihm eine Höchststrafe von bis zu 15 Jahren Gefängnis drohen.

Persönliche Umstände des Angeklagten

Die Verteidigung des Angeklagten hat in einer ersten Erklärung die persönlichen Umstände des Mannes skizziert. Er sei von Kindheit an in der katholischen Kirche aktiv gewesen und habe den Glauben als etwas Positives empfunden. Der Angeklagte habe lange mit dem Gedanken gespielt, Priester zu werden, jedoch oft mit dem Zölibat gehadert. Während zweier Beziehungen, von denen eine während seiner Zeit als Priester stattfand, habe er „normale Erotik“ erlebt und sich zu Frauen hingezogen gefühlt.

Die Corona-Pandemie habe zu einer erhöhten Arbeitsbelastung und Einsamkeit geführt, was ihn dazu veranlasst habe, sich intensiver mit dem Internet zu beschäftigen. Zunächst habe er normale Pornoseiten besucht, bevor er auf die Videochat-Plattform stieß, die ihm während eines Beichtgesprächs empfohlen wurde. Der Angeklagte gab an, dass die „sehr jungen Menschen“ auf der Plattform eine Faszination auf ihn ausgeübt hätten und er im Nachhinein wisse, dass seine Taten den betroffenen Kindern und Jugendlichen Leid zugefügt hätten.

Öffentliche Wahrnehmung und kirchliche Reaktionen

Der Fall wirft erneut ein Schlaglicht auf die Problematik des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Immer wieder werden Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen innerhalb kirchlicher Institutionen öffentlich. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige missbraucht haben sollen. In Hessen allein wurden in diesem Zeitraum mehr als 300 Fälle dokumentiert.

Das Bistum Fulda, für das der Angeklagte tätig war, hat bereits vor Prozessbeginn betont, dass es ein großes Interesse an der vollständigen Aufklärung der Vorwürfe habe. Im Falle einer Verurteilung werde sich auch ein kirchenrechtliches Verfahren anschließen.

Fortsetzung des Verfahrens

Das Landgericht Fulda hat für den Prozess bis zum 29. Oktober neun weitere Verhandlungstage angesetzt. Der Prozess wird am 8. Oktober fortgesetzt. Da während des Verfahrens auch Inhalte der Videos angeschaut werden sollen, wird die Öffentlichkeit von Teilen der Verhandlung ausgeschlossen, um die betroffenen Kinder zu schützen.

Die Vorwürfe gegen den ehemaligen Pfarrer sind schwerwiegend und stellen nicht nur eine juristische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung dar. Der Fall wird mit Spannung verfolgt, da er sowohl die kirchliche Institution als auch die Gesellschaft als Ganzes betrifft, die sich mit den Folgen von sexuellem Missbrauch auseinandersetzen muss.

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