In der kleinen, ruhigen Ortschaft Hay-on-Wye in Südwales hat sich ein Kunstskandal entwickelt, der die Gemüter der Einwohner erregt. Im Schaufenster der Galerie „The Chair“ ist ein Gemälde der Künstlerin Poppy Baynham ausgestellt, das eine nackte Frau zeigt, die ihre Beine spreizt. Die Darstellung hat zu einer Kontroverse geführt, die sowohl die lokale Gemeinschaft als auch die Polizei in Aufregung versetzt hat. Laut Berichten des „Guardian“ haben mehrere Bürger Beschwerden eingereicht, die dazu führten, dass die Polizei die Galeriebesitzerin Val Harris aufforderte, das Werk aus dem Schaufenster zu entfernen.
Kunst ist oft ein Spiegel der Gesellschaft, und das, was für den einen als Kunst gilt, kann für den anderen als anstößig oder gar pornografisch empfunden werden. In Hay-on-Wye, einem Ort, der für sein literarisches Festival bekannt ist, hat das Gemälde von Baynham eine Diskussion über die Grenzen der Kunst und die Definition von Pornografie ausgelöst. Das Bild zeigt eine nackte Frau in Cowboystiefeln, zwischen ihren Beinen befindet sich ein schwarzes Dreieck aus rosa Wolle. Die Künstlerin selbst hat betont, dass es sich nicht um eine explizite Darstellung handelt und sie die Reaktion der Menschen nicht nachvollziehen kann.
Die Polizei hat auf die Beschwerden reagiert, indem sie Val Harris, die Besitzerin der Galerie, aufforderte, das Gemälde an einen weniger sichtbaren Ort innerhalb der Galerie zu verlegen. Harris, die die Aufmerksamkeit, die das Werk auf sich zieht, als Marketingchance sieht, hat sich jedoch geweigert, das Kunstwerk weniger prominent zu präsentieren. Sie argumentiert, dass das Gemälde Teil einer kuratierten Ausstellung ist, die die Arbeiten von Baynham und ihrer Schwester umfasst.
Poppy Baynham, die im dritten Jahr an der Central Saint Martins, einer renommierten Kunstschule in London, studiert, hat sich in einem Interview mit dem „Guardian“ zu den Vorwürfen geäußert. Sie ist schockiert über die Reaktionen auf ihr Werk und erklärt, dass es lediglich aufgrund seiner Proportionen für das Schaufenster ausgewählt wurde. Baynham betont, dass ihre Kunst darauf abzielt, den sexualisierten weiblichen Körper zu normalisieren und dass sie die Aufregung über ihr Gemälde nicht versteht. In London, wo sie oft ausstellt, habe es nie ähnliche Reaktionen gegeben.
Die Diskussion über das Gemälde wirft grundlegende Fragen über die Wahrnehmung von Kunst und Pornografie auf. In einem weiteren Kontext könnte man auch die Arbeiten anderer Künstlerinnen betrachten, die ähnliche Themen behandeln, wie beispielsweise Rokude Nashiko, die ihre Vagina vermessen ließ, um ein Kajak zu schaffen, das als „The Vagina Boat“ bekannt ist. Solche Werke stellen die gesellschaftlichen Normen und Tabus in Frage und fordern die Zuschauer heraus, ihre eigenen Ansichten über Sexualität und Kunst zu reflektieren.
Die Galerie hat die Kontroverse um das Gemälde in ein Event verwandelt und eine Debatte auf Instagram initiiert. Baynham hat in diesem Rahmen erklärt, dass viele heterosexuelle Frauen möglicherweise noch nie eine Vulva gesehen haben und daher Angst vor der Darstellung haben könnten. Diese Aussage verdeutlicht die Kluft zwischen der Kunstwelt und der breiten Öffentlichkeit sowie die Herausforderungen, die Künstlerinnen bei der Darstellung von Körperlichkeit und Sexualität gegenüberstehen.
Die Auseinandersetzung um das Gemälde von Poppy Baynham in Hay-on-Wye ist ein Beispiel für die komplexen Beziehungen zwischen Kunst, Gesellschaft und individueller Wahrnehmung. Während einige das Werk als anstößig empfinden, sehen andere darin eine wichtige Diskussion über den weiblichen Körper und die Sexualität. Die Reaktionen auf das Gemälde könnten letztlich dazu beitragen, das Verständnis von Kunst und Pornografie in der Gesellschaft zu erweitern und die Grenzen des Akzeptablen neu zu definieren.
F.A.Z. - Die Künstlerin Poppy Baynham sorgt in Hay-on-Wye für Aufregung
