Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Anne Applebaum am vergangenen Sonntag warf eine interessante Frage auf: Warum war die Bundesbildungsministerin die höchstrangige Repräsentantin des Staates bei diesem wichtigen Ereignis? Drückten sich die verantwortlichen Außenpolitiker vor der klaren Kante der Preisträgerin, wie Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mutmaßt?
Ein Blick zurück in die Geschichte des Friedenspreises zeigt, dass die Teilnahme hoher Politiker in den letzten 74 Jahren tatsächlich rückläufig ist. War der Preis in den jungen Jahren der Bundesrepublik noch ein wichtiges Symbol für die junge Demokratie und wurde oft vom Bundespräsidenten persönlich begleitet, so ist die Zeremonie heute deutlich informeller.
Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, erkannte die Bedeutung des Friedenspreises als Symbol für die Werte der Bundesrepublik. Er war bei zahlreichen Verleihungen anwesend und hielt sogar selbst die Laudatio auf Albert Schweitzer im Jahr 1951. Unter Richard von Weizsäcker erreichte die Verbindung zwischen dem Friedenspreis und dem Bundespräsidenten ihren Höhepunkt. Weizsäcker war bei allen zehn Verleihungen seiner Amtszeit anwesend und unterstrich damit die Bedeutung von Kultur und Politik im Kontext des Preises.
Doch diese starke Verbindung scheint zu bröckeln. Auch wenn die Nachfolger von Weizsäcker die Tradition der Teilnahme zunächst fortführten, so ist die Abwesenheit hochrangiger Politiker heute keine Seltenheit mehr. Als Jürgen Habermas 2001 den Preis erhielt, waren zwar noch vier Verfassungsorgane vertreten, doch schon 2006, bei der Verleihung an Wolf Lepenies, war die politische Prominenz deutlich geringer.
Die diesjährige Verleihung an Anne Applebaum, die für ihre Kritik an autoritären Regimen bekannt ist, wirft die Frage auf, ob die Abwesenheit von Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius eine bewusste Entscheidung war. Immerhin war Applebaums Ehemann, der polnische Außenminister Radosław Sikorski, anwesend. Bundespräsident Steinmeier, der in Applebaums Buch erwähnt wird, ließ sich entschuldigen und ein Glückwunschschreiben verlesen.
War die geringe politische Präsenz also ein Zeichen der politischen Gleichgültigkeit oder gar der "Drückebergerei", wie Bahners vermutet? Oder ist sie schlichtweg Ausdruck eines gewandelten Verständnisses von protokollarischen Pflichten und der Rolle des Staates bei kulturellen Ereignissen? Die Antwort auf diese Frage bleibt vorerst offen.
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