18.12.2024
Genomisches Neugeborenen-Screening Chancen und Herausforderungen

Erweiterte Neugeborenen-Screenings: Potenziale und Herausforderungen der Genom-Analyse

Ein Tropfen Blut aus der Ferse eines Neugeborenen birgt großes diagnostisches Potenzial. Das seit den späten 1960er Jahren etablierte Neugeborenen-Screening ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Stoffwechselstörungen und verbessert die Lebensqualität betroffener Kinder erheblich. Christian Schaaf, Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Heidelberg, bezeichnet das Screening als „laut Studien die erfolgreichste Maßnahme, um Krankheitsveranlagungen zu erkennen und Krankheitsverläufe positiv zu beeinflussen“ (Quelle: Handelsblatt/dpa, 18.12.2024). Derzeit werden 19 Krankheiten routinemäßig untersucht, doch die Genomforschung eröffnet neue Möglichkeiten.

Das sogenannte Genomische Neugeborenen-Screening, an dem Forscher in Heidelberg und Mannheim arbeiten, könnte die Diagnostik revolutionieren. Durch die Analyse des gesamten Erbguts könnten Hunderte von Krankheiten identifiziert werden. Im Rahmen des Forschungsprojekts "New Lives" wird ein flächendeckendes Konzept für dieses erweiterte Screening entwickelt. Ab 2026 soll es im Rahmen einer Studie am Universitätsklinikum Heidelberg angeboten werden (ZEIT ONLINE, 18.12.2024). Den Eltern von etwa 3.000 Neugeborenen pro Jahr soll die Teilnahme ermöglicht werden. Die Ergebnisse sollen innerhalb von vier Wochen vorliegen.

Die Erweiterung des Screenings wirft ethische und datenschutzrechtliche Fragen auf. Sollen auch Krankheiten getestet werden, die erst im Erwachsenenalter auftreten oder nicht behandelbar sind? Wie werden die sensiblen genetischen Daten geschützt? Eva Winkler, Verbundsprecherin von New Lives und Mitglied im Deutschen Ethikrat, betont die Notwendigkeit einer umfassenden Beratung der Eltern, idealerweise schon während der Schwangerschaft (GEO). Auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist für eine flächendeckende Umsetzung entscheidend.

Ein Beispiel für den Erfolg des bestehenden Screenings ist Manuela Stecher. Dank des Tests wurde bei ihr kurz nach ihrer Geburt Phenylketonurie, eine schwere Stoffwechselerkrankung, diagnostiziert. Eine lebenslange Diät ermöglicht ihr ein normales Leben (ZEIT ONLINE, 18.12.2024).

Während das klassische Neugeborenen-Screening bei etwa 0,1 Prozent der Kinder eine Erkrankung feststellt, lag die Quote in einer amerikanischen Studie zum Genomischen Neugeborenen-Screening bei drei Prozent. Die Heidelberger Forscher konzentrieren sich zunächst auf etwa 200 behandelbare Krankheiten, die im Kindesalter ausbrechen. Christian Schaaf erwartet, dass in diesem Fall weniger als ein Prozent der getesteten Babys auffällig sein werden (GEO).

Die rechtlichen Grundlagen für das Genomische Neugeborenen-Screening sind laut Ralf Müller-Terpitz von der Universität Mannheim vorhanden, unterliegen aber Auflagen, wie der Aufklärungspflicht durch Ärzte (GEO).

Die Geschichte von Verena Romero und ihrer Tochter Chiara zeigt die Bedeutung der frühzeitigen Diagnose auch bei nicht behandelbaren Krankheiten. Chiaras seltene genetische Erkrankung dup15q wurde erst mit 15 Monaten diagnostiziert. Romero möchte die Krankheit in das Neugeborenen-Screening aufnehmen, um anderen Familien die lange Diagnosesuche zu ersparen und den Austausch unter Betroffenen zu fördern (ZEIT ONLINE, 18.12.2024).

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