28.11.2024
Haftbefehl gegen Netanjahu Deutschlands Reaktion im Völkerrechtlichen Dilemma

Deutschlands Außenpolitik vor der Herausforderung des IStGH-Haftbefehls gegen Netanjahu

Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ausgestellte Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant stellt die deutsche Außenpolitik vor eine schwierige Aufgabe. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, stößt die Bundesregierung bei der Suche nach einer angemessenen Reaktion auch kommunikativ an ihre Grenzen. Die Sicherheit Israels ist ein elementarer Bestandteil der deutschen Staatsräson und Ausdruck der historischen Verantwortung Deutschlands. Die Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit rücken dieses Prinzip erneut in den Mittelpunkt. Im Zentrum der öffentlichen Debatte in Deutschland steht die Frage, ob die Bundesregierung Netanjahu bei einer Einreise verhaften lassen würde. Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, argumentiert jedoch, dass diese Fragestellung irreführend sei. Stattdessen sollten die Kompetenzen des IStGH, die Rechtmäßigkeit der Ermittlungen und eine mögliche politische Motivation des Verfahrens im Vordergrund stehen. Engel kritisiert die Reaktion von Außenministerin Annalena Baerbock, die die Unabhängigkeit der Justiz betonte und die Einhaltung von Recht und Gesetz durch die Bundesregierung bekräftigte. Er verweist auf die kritischen Reaktionen aus den USA und Frankreich sowie auf ablehnende Stimmen innerhalb Deutschlands, wie beispielsweise die von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Marcus Söder (CSU). Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete die Haftbefehle als "Schande und absolut inakzeptabel" (Jüdische Allgemeine). Die taz berichtet über die Vorwürfe des IStGH, die sich auf die Behinderung der Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und medizinischer Versorgung sowie die daraus resultierenden Folgen wie Unterernährung und Todesfälle beziehen. Während Ungarn den Haftbefehl ablehnt und Netanjahu eingeladen hat, haben die Niederlande eine Verhaftung bei Einreise angekündigt. Die Bundesregierung prüft die innerstaatlichen Schritte und äußert sich zurückhaltend zu möglichen Reiseplänen Netanjahus oder Besuchen deutscher Regierungsvertreter in Israel. Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern spielt in der Diskussion eine wichtige Rolle. Das Römische Statut, dem Israel nicht beigetreten ist, schließt die Immunität bei Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus. Es ist jedoch umstritten, ob dies für alle Staats- und Regierungschefs weltweit gilt oder nur für die der Vertragsstaaten. Der IStGH argumentiert mit dem Völkergewohnheitsrecht, welches ihm auch die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Wladimir Putin ermöglichte. Diese Argumentation wird jedoch von einigen Völkerrechtlern, wie Professor Matthias Friehe, angezweifelt. Das Auswärtige Amt betonte in der Regierungspressekonferenz vom 25. Oktober 2024 den Schutz von Zivilisten in Kriegshandlungen und verwies auf das humanitäre Völkerrecht. Zu der Frage nach der Existenz eines "Moskito-Protokolls", das den Einsatz menschlicher Schutzschilde durch die israelische Armee regeln soll, gab es keine Stellungnahme. In der Regierungspressekonferenz vom 2. September 2024 bekräftigte das Auswärtige Amt sein Engagement für die Freilassung aller Geiseln der Hamas und die Linderung der humanitären Not in Gaza. Die Frage nach der Solidarität mit den in Israel protestierenden Menschen wurde mit dem Verweis auf die demokratische Verfasstheit Israels beantwortet. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) analysiert in ihrer Studie "Deutsche Außenpolitik im Wandel" die Herausforderungen für die deutsche Außenpolitik und unterstreicht die Notwendigkeit einer Neuausrichtung angesichts internationaler Machtverschiebungen, des zunehmenden Autoritarismus und dringlicher globaler Probleme. Die Studie empfiehlt eine stärkere Konzentration auf verlässliche Partnerschaften und neue Formen der gemeinsamen Verantwortung. Quellen: - Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/haftbefehle-gegen-netanjahu-deutschland-ringt-um-den-richtigen-umgang-110138408.html - Jüdische Allgemeine: https://www.juedische-allgemeine.de/israel/deutschland-und-die-reaktion-auf-die-haftbefehle-des-internationalen-strafgerichtshofs-es-geht-auch-anders/ - Auswärtiges Amt: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2681842 - Auswärtiges Amt: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2674120 - Cicero: https://www.cicero.de/aussenpolitik/haftbefehl-netanjahu-israel-khan-baerbock-orban - taz: https://taz.de/Internationaler-Strafgerichtshof/!6050971/ - Stiftung Wissenschaft und Politik: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2021S15/
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