25.11.2024
Handarbeit als Protestmittel Geschichte und Gegenwart des Craftivism

Die Masche mit der Politik: Häkeln, Stricken und Sticken als Protestformen

Handarbeit – Stricken, Häkeln, Sticken – wird oft mit Begriffen wie „Oma“, „Hobby“ oder „Hausfrau“ assoziiert. Doch diese vermeintlich unpolitischen Tätigkeiten haben eine lange Geschichte als Mittel des Protests und der Subversion. Wie Anna Vollmer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 25.11.2024 beschreibt, nutzten bereits im Ersten Weltkrieg Spioninnen im Auftrag der Alliierten das Stricken, um unauffällig Informationen über deutsche Zugbewegungen zu sammeln und mittels codierter Maschenmuster weiterzuleiten. Die scheinbare Harmlosigkeit der Handarbeit diente als Tarnung für politische Aktionen. Dieses Prinzip des „Unterlaufens“ von Vorurteilen findet sich auch in der heutigen Zeit wieder. Die FAZ berichtet von der Debatte um die Handarbeits-Plattform „Ravelry“, die 2019 Nutzerinnen sperrte, die Donald Trump unterstützten. Die Empörung darüber zeigte, wie tief das Bild der unpolitischen Handarbeiterin in der Gesellschaft verankert ist. Politische Bewegungen nutzen diese Erwartungshaltung gezielt, um mit Handarbeiten Botschaften zu platzieren und Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Beispiel hierfür sind die pinken „Pussyhats“, die beim Women’s March gegen Donald Trump getragen wurden. Die Grünen, so Vollmer in der FAZ, haben das Stricken in den 1980er Jahren als Zeichen des Protests gegen das etablierte politische System eingesetzt. Das Stricken im Bundestag war nicht nur eine Provokation gegen althergebrachte Geschlechterrollen, sondern auch ein Statement gegen die Konsumgesellschaft. Auch heute noch greifen Politikerinnen wie Annalena Baerbock auf diese Symbolik zurück, wie ihr Auftritt mit einem grünen Wollknäuel beim Parteitag der Grünen zeigt. Die dpa meldete am 1. Mai 2024, dass Stricken generell wieder im Trend liegt, als Gegenbewegung zur Digitalisierung und als Ausdruck von Nachhaltigkeit. Die Beziehung zwischen Frauen und Handarbeit ist jedoch komplex. Wie die FAZ berichtet, galt Handarbeit lange Zeit als Symbol weiblicher Unterdrückung und stand für die Rolle der Frau im häuslichen Bereich. Rozsika Parker analysiert in ihrem Buch „The Subversive Stitch“ die Bedeutung des Stickens als vermeintlich unterwürfige Tätigkeit. Doch gerade diese Verbindung zur weiblichen Identität kann emanzipatorisch genutzt werden, indem Handarbeit als subversives Mittel eingesetzt wird. Der Begriff „Craftivism“, eine Kombination aus „Craft“ (Handwerk) und „Activism“ (Aktivismus), beschreibt diese Form des politischen Protests. Die FAZ nennt hier die „Knitting Nanas“ in Australien, die mit ihren Handarbeiten gegen den Klimawandel protestieren, oder die „Arpilleras“ aus Chile, gestickte Bilder, die das Leben unter der Pinochet-Diktatur dokumentierten. Diese Arbeiten, die zunächst harmlos wirken, enthielten oft drastische Darstellungen von Gewalt und Unterdrückung. Die Grenzen zwischen Handarbeit und Kunst sind fließend. Die FAZ berichtet über die Ausstellung „Unravel – The Power and Politics of Textiles in Art“ im Stedelijk Museum Amsterdam, die Werke von Künstlerinnen und Künstlern zeigt, die mit Textilien arbeiten. Die Kuratorin Amanda Pinatih betont, dass die frühere Hierarchisierung, die Textilkunst als „angewandte Kunst“ abwertete, heute überholt ist. Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel, Hannah Ryggen oder Louise Bourgeois haben mit ihren textilen Werken die Anerkennung der Handarbeit als Kunstform vorangetrieben. Auch die ZEIT berichtete am 23. Oktober 2022 über die politische Dimension des Stickens, insbesondere im Kontext des Ukraine-Krieges. Auf der Plattform „Für eine bessere Welt“ wird am 8. März 2023 ebenfalls die Bedeutung des Stickens als Kunst, Protest und Empowerment hervorgehoben. Die Künstlerin Britta Marakatt-Labba erzählt mit ihren Stickbildern vom Leben der Sámi, einer indigenen Bevölkerungsgruppe, die um ihre politische Selbstbestimmung kämpft. Der philippinische Künstler Cian Dayrit stickt Berichte über Menschenrechtsverletzungen in historische Landkarten ein. Diese Beispiele zeigen, wie Handarbeit als kraftvolles Medium genutzt werden kann, um politische Botschaften zu vermitteln und gesellschaftliche Veränderungen einzufordern. Quellen: - FAZ: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/handarbeit-in-kunst-und-politischem-protest-110127811.html - dpa: https://www.zeit.de/news/2024-05/01/stricken-ist-trendy-und-manchmal-politisch - ZEIT: https://www.zeit.de/2022/43/sticken-emotionen-wut-ukraine-trauer - Für eine bessere Welt: https://www.fuereinebesserewelt.info/sticken-kunst-protest/ - TikTok: https://www.tiktok.com/@gutmenschenprojekt/video/7435642335725128982
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