24.10.2024
Indiens Wirtschaft: Chancen und Herausforderungen für deutsche Unternehmen

„Das Ausmaß der Bürokratie in Indien kommt dem in Deutschland schon recht nahe“, sagt Thomas Nürnberger, Asien-Chef von EBM Pabst, einem Hersteller von Ventilatoren und Elektromotoren. Ein Dauerbrenner seien die langen Genehmigungsverfahren beim Landkauf. „Wenn in China ein Bauer in einem Industriegebiet sein Land nicht verkaufen will, dann findet die Lokalregierung eine Lösung“, erzählt Nürnberger. Das werde finanziell „sehr, sehr gut“ ausgeglichen. „In Indien muss man sich als Unternehmen dagegen die Grundstücke zusammenstückeln – und damit leben, dass mal ein Zipfel heraussteht, weil die Landwirte drumherum nicht verkaufen wollen. Das geht alles. Aber es ist eben komplizierter.“ so Nürnberger im Interview mit der F.A.Z.

Klaus Böhmer aus der Führungsspitze des Energietechnik- und Automatisierungsspezialisten Wago berichtet von ähnlichen Erlebnissen. Als Wago vor fünf Jahren im Bundesstaat Gujarat eine Fläche zum Expandieren kaufte, musste es erstmal drei Meter Boden aufschütten, um für das Hochwasser nach starken Monsunregenfällen gerüstet zu sein. „Außerdem haben wir Solaranlagen und Dieselgeneratoren installiert, um die Stromversorgung abzusichern“, erzählt Böhmer. Ungefähr ein Drittel der Stromerzeugungskapazitäten in Indien besteht aus Dieselgeneratoren – als Rückfalloption, wenn das normale Netz wieder mal überlastet ist.

Auch das Arbeitsrecht gilt als kompliziert. Selbst nach grobem Fehlverhalten und mehreren Abmahnungen sei es sehr schwierig, einen Mitarbeiter zu kündigen, erzählt EBM-Pabst-Manager Nürnberger. Und dann sei da noch das leidige Thema Visavergabe. „Ein Riesenproblem ist, dass wir als deutsches Unternehmen für unsere Mitarbeiter aus China keine Visa für die Einreise nach Indien bekommen. Wir brauchen diese Kollegen mit ihrem Erfahrungsschatz aber, um die Standorte in Indien auszubauen“, so Nürnberger.

„Extrem viele smarte Leute“

Indien und China sind Rivalen, nicht nur wegen des ungelösten Grenzkonflikts im Norden Indiens, auch wirtschaftlich. Wie China drängt auch Indien Unternehmen dazu, dass möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Land stattfinden soll. Deutschland erhofft sich von den Gesprächen in Neu-Delhi neben mehr Austausch in der klassischen Industrie auch Aufträge für seine Rüstungsindustrie. „Indien hat in der Vergangenheit fast seine gesamten Rüstungsgüter aus Russland bezogen. Das will es nicht mehr“, sagt Habeck.

Klaus Böhmer von Wago ist, trotz aller Probleme, ein bekennender Indien-Fan: „Indien liegt, was die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts betrifft, etwa 14 Jahre hinter China. In China ging damals der Boom richtig los. Diese Entwicklung erwarten wir auch in Indien. Es gibt einfach extrem viele smarte Leute, die was erreichen wollen.“ Thomas Nürnberger von EBM Pabst beriet kürzlich mit einem Architekturbüro, was mit einem herausstehenden Zipfel auf seinem zusammengestückelten Grundstück passieren soll. Dort wird jetzt ein Sportplatz gebaut. Nicht für Hockey, sondern Indiens zweiten Nationalsport Cricket.

Quelle: F.A.Z.

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