19.10.2024
Israels Sicherheitsanspruch und die Zerreißprobe um eine Zweistaatenlösung
Israel beansprucht selbst im Falle einer Einigung mit den Palästinensern über eine Zweistaatenlösung die umfassende militärische Kontrolle über alle palästinensischen Gebiete. In jedem Fall, mit oder ohne dauerhafte Lösung: Israel wird die vollständige Sicherheitskontrolle über alle Gebiete westlich des Jordans beibehalten, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dies schließe selbstverständlich das Westjordanland und den Gazastreifen ein. Als Israels wichtigster Verbündeter machen sich die USA zunehmend für die Zweistaatenlösung stark, die ein friedliches Nebeneinander von Israel und einem künftigen palästinensischen Staat vorsieht. Dieser soll sich weitgehend auf den von Israel seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten erstrecken, das heißt dem Westjordanland, Ost-Jerusalem und dem Gazastreifen. Washington will die – durchaus nicht in Reichweite liegende – Beendigung des gegenwärtigen Gaza-Kriegs mit der Heranführung an die Zweistaatenlösung verknüpfen, um die Nahost-Region dauerhaft zu befrieden. Netanjahu hat als Politiker der israelischen Rechten seine politische Karriere zu guten Teilen auf seiner deklarierten Gegnerschaft zur Zweistaatenlösung aufgebaut. Jeder weiß, dass ich es war, der seit Jahrzehnten die Gründung eines palästinensischen Staates, der unsere Existenz bedrohen würde, blockiert hat, sagte er. Seine Regierung hatte am Sonntag einstimmig eine Resolution gebilligt, in der Israel jeden Versuch ablehnt, sich die Gründung eines palästinensischen Staates einseitig „aufzwingen“ zu lassen. Der Ansatz der Biden-Regierung kehrte ab Anfang 2021 zwar in wichtigen Punkten zur traditionellen Politik der Demokraten zurück. Die Nahostpolitik von Donald Trump wirkt aber bis heute im Nahen Osten nach. Die Biden-Administration machte von Anfang an klar, dass sie nicht bereit sei, politisches Kapital einzusetzen, um die Regelung eines Konfliktes zu befördern, die ohnehin nicht zu erwarten und auf der Prioritätenliste der USA weit nach unten gerutscht ist. Sie verwendete auch keine Energie darauf, Zusagen der Trump-Administration gegenüber Israel zurückzuziehen. So nahm sie die Anerkennung israelischer Souveränität über Jerusalem und die Golanhöhen nicht zurück und verlegte auch die US-Botschaft nicht wieder zurück nach Tel Aviv. Und obwohl die Biden-Administration angekündigt hatte, wieder ein Generalkonsulat mit Zuständigkeit für die Palästinenser in (Ost-)Jerusalem zu eröffnen, gelang ihr das gegen den Widerstand der israelischen Regierung und im US-Kongress nicht. Die EU-Außenminister haben in Brüssel den Start des neuen Militäreinsatzes zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Nahen Osten beschlossen. Die EU unterstützt die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland mit weiteren Finanzhilfen im Umfang von mehr als 118 Millionen Euro. Die Billigung der Mittel sei nach einer sorgfältigen Prüfung erfolgt, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Der jetzt bewilligte Millionenbetrag kommt nach Kommissionsangaben aus einem bereits existierenden Topf für Palästinenserhilfe, der für die Jahre 2021 bis 2024 etwa 1,2 Milliarden Euro umfasst. Die Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde soll es unter anderem ermöglichen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich Gehälter und Pensionen für Beamte sowie Sozialhilfeleistungen für arme Familien gezahlt werden können. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist nach wie vor katastrophal. Als Folge des Krieges im Gazastreifen leiden viele Kinder Hunger. Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO bei Recherchen im Kriegsgebiet festgestellt hat, sei jedes sechste Kind akut unterernährt. Die Unterernährung sei zum Teil sogar in lebensbedrohlichem Ausmaß. Auch schwangere oder stillende Frauen würden Hunger leiden. Mehr als 500.000 Menschen im Gazastreifen leiden nach Angaben eines UN-Berichts akut an Hunger. Mehr als eine halbe Million Menschen im Gazastreifen leiden nach Angaben eines UN-Berichts akut an Hunger. Der Chefökonom des Welternährungsprogramms (WFP), Arif Hussain, warnte vor einer "ausgewachsenen Hungersnot innerhalb der nächsten sechs Monate", falls der Krieg andauere und die Lebensmittellieferungen nicht wiederhergestellt würden. "Ich habe so etwas noch nie in dem Ausmaß gesehen", sagte Hussain. "So ziemlich jeder in Gaza hat Hunger." Insgesamt befinden sich die 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens in einer Ernährungskrise oder Schlimmerem. Etwa 576.600 seien mit einer katastrophalen Situation konfrontiert, in der sie vom Hungertod bedroht seien. Das Krankenhaus ist derzeit eher ein Hospiz als eine Klinik – so beschreibt ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation die Lage im Al-Ahli-Arabi-Krankenhaus. Die israelische Armee hat die Bewohner weiterer Orte im Gazastreifen aufgerufen, nach Süden zu fliehen. Insbesondere Menschen, die sich im Flüchtlingslager Bureidsch aufhielten, sollten sich in Sicherheit bringen, schrieb ein Armeesprecher auf X. Die Armee werde außerdem ihre "militärischen Aktivitäten" im Ort Rafah, an der Grenze zu Ägypten, von 10 bis 14 Uhr (Ortszeit) für humanitäre Zwecke unterbrechen.
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