28.10.2024
Kapazitätsstreit in Marburg Medizin Anfänger Exmatrikuliert

An der Philipps-Universität Marburg wurden 22 Studienanfänger im Fach Humanmedizin nach nur wenigen Wochen wieder exmatrikuliert, wie die Universität mitteilte. Dies ist das Ergebnis eines Rechtsstreits, der im Oktober 2023 begann, als gut zwei Dutzend Studieninteressierte Kapazitätsklagen gegen die Universität einreichten. Ziel dieser Klagen ist es, gerichtlich feststellen zu lassen, dass Hochschulen in zulassungsbeschränkten Fächern nicht so viele Studienanfänger zulassen, wie es ihre Kapazitäten eigentlich erlauben würden. As reported by F.A.Z, ist dieses Vorgehen, besonders im Fachbereich Medizin, nicht ungewöhnlich.

Im Mai dieses Jahres, nach ungewöhnlich langer Bearbeitungszeit, entschied das Verwaltungsgericht Gießen zugunsten der Kläger. 28 von ihnen wurde vorläufig das Recht zugesprochen, sich in Marburg für das Studienfach Medizin einzuschreiben. Das Gericht war zu dem Schluss gekommen, dass der Fachbereich die zusätzliche Zahl an Erstsemestern verkraften könne. Die Universität ließ die Bewerber daraufhin zu, legte jedoch Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein.

Dieser kam Ende September zu einer anderen Einschätzung. Die Kasseler Richter interpretierten die Kapazitätsdaten so, dass die Aufnahme der zusätzlichen Bewerber dem Fachbereich nicht zuzumuten sei. Da dieser Beschluss unanfechtbar ist, exmatrikulierte die Universität die Studenten umgehend wieder.

Marc Wagner, Juraprofessor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, vertrat eine der Betroffenen, seine Tochter, vor Gericht. Er hält die Entscheidung zwar rechtlich für vertretbar, gesellschaftlich jedoch für einen Skandal, da sowohl der Deutsche Ärztetag als auch der Bundesgesundheitsminister die Einrichtung von mindestens 5000 zusätzlichen Medizinstudienplätzen fordern.

Wagner kritisiert, dass die Universität entscheidende Belege für ihre Kapazitätsberechnung erst im Beschwerdeverfahren und nicht schon in erster Instanz einführte. Dies geht aus der Begründung des Kasseler Beschlusses hervor, die der F.A.Z. vorliegt. Demnach wurde als kapazitätsmindernd für das erste Semester anerkannt, dass der Fachbereich eine bestimmte Anzahl von Mitarbeiterstellen, die für die vorklinische Lehre relevant waren, inzwischen dem klinischen Teil der Fakultät zugeschlagen hat. Die entsprechenden Beschlüsse dazu seien bereits im April 2023 gefasst worden, jedoch erst im Beschwerdeverfahren von der Universität mitgeteilt worden.

Wären die Unterlagen bereits dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden, wären die Kläger wohl schon im Mai gescheitert und hätten sich früher anderweitig orientieren können. Kritik äußert Wagner auch an der Art und Weise, wie den Betroffenen die Exmatrikulation mitgeteilt wurde: per Einschreiben. Ein von den Studenten erbetener Besprechungstermin beim Präsidenten sei abgelehnt worden.

Annette Becker, Studiendekanin in Marburg, zeigt zwar Verständnis für den Unmut der Studenten, verteidigt aber das Vorgehen der Universität. Indem die Fakultät Mitarbeiterstellen in den klinischen Teil verlagert habe, setze sie inhaltliche Schwerpunkte und erhöhe die Kapazität für ein komplettes Medizinstudium. Früher habe die Universität auch auf die Vorklinik beschränkte Teilstudienplätze ausgewiesen, das sei nun nicht mehr der Fall.

Grundsätzlich sieht Becker Kapazitätsklagen kritisch, da Abiturienten, deren Noten für ein Medizinstudium nicht ausreichen, die sich aber einen Anwalt leisten können, dadurch möglicherweise Vorteile gegenüber weniger begüterten Bewerbern erlangen.

Marc Wagners Tochter will nun eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten absolvieren. Den Traum, eines Tages Ärztin zu werden, hat sie aber nicht aufgegeben.

Quelle: F.A.Z.

Weitere
Artikel