Ein von Künstlicher Intelligenz gesteuerter Jesus-Avatar im Beichtstuhl der Peterskapelle in Luzern (Schweiz) hat für Aufsehen und kontroverse Diskussionen gesorgt. Wie unter anderem die Zeit berichtet, kommunizierte der Avatar, dargestellt als junger Mann mit Bart und langem Haar, mit den Besuchern und verblüffte mit seinen Antworten. Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter der Kapelle, erklärte gegenüber der dpa, dass die KI mit dem Neuen Testament und "schwierigen Fragen" trainiert wurde. Die Installation sei als Kunstprojekt und nicht als Ersatz für die Beichte zu verstehen.
Schmid zeigte sich im dpa-Gespräch beeindruckt von der Qualität der Antworten des KI-Jesus. Teilweise seien die Antworten so gut gewesen, dass er sie selbst hätte formulieren können. Gleichzeitig gab er zu, dass der KI-Jesus auch klischeehafte Sätze verwendete, wie beispielsweise: "In einer Zeit der Technologie und des schnellen Wandels bleibt der Kern unseres Glaubens unverändert: Liebe, Hoffnung und Glaube". Schmids Kommentar dazu: "Auch Prediger sind oft nicht besonders eloquent."
Das Projekt, das in Kooperation mit der Hochschule Luzern von August bis Oktober lief, ist Teil einer Reihe von Experimenten mit KI im kirchlichen Bereich. Bereits 2023 präsentierte die Evangelische Kirche im Rheinland einen KI-Avatar von Martin Luther. Die Platzierung des Avatars direkt im Kirchenraum ist jedoch ungewöhnlich.
Die Theologin Anna Puzio von der Universität Twente kritisierte gegenüber der dpa die Darstellung des KI-Jesus. Sie bemängelte die Reproduktion eines westlich geprägten Jesusbildes durch die KI. Auch die Antworten des Avatars bewertete sie kritisch. Die KI greife unreflektiert auf alte religiöse Texte zurück und perpetuiere dadurch überholte Ansichten, zum Beispiel zur Rolle der Frau. Biblische Texte müssten interpretiert und in einen zeitgemäßen Kontext gesetzt werden – eine Fähigkeit, die die KI nicht besitze.
Technisch funktionierte die Installation wie folgt: Die Besucher sprachen ihre Anliegen, die dann von ChatGPT verarbeitet und vom Avatar wiedergegeben wurden. Schmid kritisierte die Geschwindigkeit der Antworten, die "zack-zack, ohne Pausen" kamen. Andere, darunter auch skeptische Theologen, zeigten sich von der Empathie des KI-Jesus beeindruckt.
Laut Schmid gaben 60 Prozent der 290 Befragten an, sich nach dem Gespräch mit dem KI-Jesus religiös-spirituell angeregt zu fühlen. Puzio wies hingegen auf den hohen Energieverbrauch von KI-Anwendungen hin und plädierte für weniger, dafür aber verantwortungsbewusstere KI-Projekte. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bezeichnete das Projekt als grenzwertig, räumte aber ein, dass Gott der Begegnung mit KI möglicherweise nicht aus dem Weg gehen würde. Das Projekt werfe die Frage auf, wo wir heute Gott begegnen könnten.
Das Projektteam wertet die rund 900 Gespräche mit den 18- bis 70-jährigen Besuchern weiter aus. Der Datenschutz wurde durch einen entsprechenden Hinweis des KI-Jesus zu Beginn des Gesprächs sichergestellt. Schmid sieht in der KI die Chance, Menschen den Zugang zur Seelsorge zu erleichtern, die sich aus Scham nicht an einen menschlichen Seelsorger wenden wollen. Auch in Schulklassen habe der KI-Jesus angeregte Diskussionen über Religion ausgelöst.
Obwohl der KI-Jesus in 100 Sprachen antworten konnte, gab es sprachliche Schwierigkeiten. So reagierte er auf Schweizerdeutsch mit Niederländisch oder Hebräisch. Schmid kann sich eine Weiterentwicklung des Projekts vorstellen, sieht aber auch Verbesserungsbedarf.
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