Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat die Zulassung des Antikörpers Lecanemab für die Behandlung von Alzheimer in der EU empfohlen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, zielt die Therapie auf die zugrundeliegenden Krankheitsprozesse ab und stellt somit einen neuen Ansatz in der Alzheimer-Behandlung dar. In Deutschland sind etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen.
Im Gegensatz zu bisherigen Alzheimer-Therapien, die lediglich die Symptome behandeln, wirkt Lecanemab direkt auf die Ursachen der Erkrankung ein. Der Antikörper bindet an Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, sogenannte Plaques, und soll so den Krankheitsverlauf verlangsamen. Eine Heilung oder Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten ist jedoch auch mit diesem Wirkstoff nicht möglich, wie die dpa betont.
Die Wirksamkeit von Lecanemab wurde anhand einer Demenzbewertungsskala gemessen. Nach 18 Monaten zeigten mit Lecanemab behandelte Patienten einen geringeren Anstieg auf dieser Skala im Vergleich zur Placebogruppe (1,22 gegenüber 1,75). Dies deutet auf einen verlangsamten kognitiven Abbau hin, so die EMA.
Die Anwendung von Lecanemab ist jedoch auf Patienten in einem frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit beschränkt, d.h. mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz. Wie Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erläutert, sind die ersten drei Jahre der Erkrankung als frühe Phase zu betrachten. In Deutschland betrifft dies schätzungsweise mindestens 250.000 Menschen. In dieser Phase sind die Betroffenen noch weitgehend selbstständig, bemerken aber zunehmende Gedächtnisprobleme.
Eine weitere Einschränkung besteht hinsichtlich des ApoE4-Gens. Lecanemab wird nur für Patienten empfohlen, die nur eine oder keine Kopie dieses Gens besitzen. Bei diesen Patienten ist das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und -blutungen geringer. Laut Gabor Petzold, Direktor der Klinischen Forschung am DZNE, betrifft dies etwa 80 Prozent der Alzheimer-Patienten in Deutschland.
Obwohl die EMA die Zulassung empfohlen hat, sind noch weitere Schritte notwendig, bevor Lecanemab in Deutschland eingesetzt werden kann. Wie Petzold erklärt, steht die Zulassung durch die EU-Kommission noch aus. Außerdem muss der Hersteller Schulungen für Ärzte durchführen und ein Beobachtungsregister einrichten. Bis zum tatsächlichen Einsatz des Medikaments werden noch einige Monate vergehen.
Vor Beginn der Behandlung müssen die Patienten einen Biomarker-Test und einen Gentest durchführen lassen. Die Therapie erfolgt alle zwei Wochen als intravenöse Infusion. Aufgrund der aufwendigen Anwendung und der notwendigen Voruntersuchungen wird die Anzahl der behandelbaren Patienten begrenzt sein, wie Özgür Onur von der Uniklinik Köln betont.
Zu den möglichen Nebenwirkungen von Lecanemab gehören Hirnschwellungen und -blutungen. Diese treten jedoch hauptsächlich bei Patienten mit zwei Kopien des ApoE4-Gens auf. Die EMA betont die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Risikominimierung, wie regelmäßige MRT-Untersuchungen. Die meisten der beobachteten Hirnschwellungen und -blutungen verlaufen asymptomatisch. Bei wiederholtem Auftreten können jedoch Beeinträchtigungen der Gehirnleistung oder Koordinationsschwierigkeiten auftreten. Mikroblutungen gelten zudem als Risikofaktor für größere, potenziell lebensbedrohliche Hirnblutungen.
Lecanemab ist nicht der erste Antikörper, der zur Behandlung von Alzheimer entwickelt wurde. Der Antikörper Aducanumab wurde von der EMA Ende 2021 abgelehnt, da der klinische Effekt fraglich war. Die Entwicklung von wirksamen Therapien gegen Alzheimer bleibt ein wichtiges Forschungsfeld.
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