Milde Winter und veränderte Klimabedingungen führen dazu, dass immer mehr Zugvögel in Sachsen-Anhalt überwintern, anstatt ihre Reise in südwestlichere Gebiete fortzusetzen. Wie die Zeit (Zeit Online, 25.10.2024) berichtet, verlagern sich die Überwinterungsgebiete einiger Arten deutlich nach Osten. Martin Schulze, stellvertretender Vorsitzender und Vogelexperte des NABU Sachsen-Anhalt, beobachtet diesen Trend mit besonderem Interesse. Bless- und Saatgänse, die traditionell aus Skandinavien und Russland kommend in den Niederlanden überwinterten, sind hierfür ein prägnantes Beispiel. Während ihre Bestände in den Niederlanden rückläufig sind, steigen sie in Sachsen-Anhalt an.
Die Temperatur spielt eine entscheidende Rolle im Zugverhalten vieler Vogelarten. „Manche Vogelarten ziehen erst los, wenn es richtig kalt wird“, erklärt Schulze gegenüber der Zeit. Kraniche beispielsweise orientieren sich an den ersten Nachtfrösten, um ihren Flug nach Süden oder Südwesten anzutreten. Die anhaltend milden Temperaturen der letzten Jahre führen dazu, dass sie länger in Deutschland verweilen. Am Helmestausee, an der Grenze zu Thüringen, wurden kürzlich rund 32.000 Kraniche gezählt – ein Phänomen, das in den vergangenen 20 Jahren nicht beobachtet wurde (Zeit Online, 25.10.2024).
Auch die Weißstorchpopulation profitiert von den milderen Wintern. Die kürzeren Flugrouten bedeuten weniger Gefahren für die Tiere, was zu einem erheblichen Wachstum der Populationen beiträgt. Manche Störche überwintern sogar in ihren Brutgebieten, da das Nahrungsangebot, wie beispielsweise Mäuse auf den Feldern, ausreichend ist, so Schulze gegenüber der Zeit.
Diese Entwicklungen werfen Fragen nach den langfristigen Auswirkungen auf das Ökosystem auf. Während einige Arten von den milderen Wintern profitieren, könnten andere durch die veränderten Bedingungen und die zunehmende Konkurrenz um Ressourcen beeinträchtigt werden. Die Verschiebung der Zugrouten und die Veränderung der Überwinterungsgebiete erfordern weitere Forschung, um die komplexen Zusammenhänge und die Folgen für die Vogelwelt vollständig zu verstehen.
Ähnliche Beobachtungen werden auch in anderen Teilen Deutschlands gemacht. Der MDR (MDR, 24.10.2023) berichtete über die Auswirkungen des verlängerten Aufenthalts von Zugvögeln im Elb-Havel-Winkel, wo Landwirte über erhebliche Schäden durch den Fraß an der Saat klagen. Auch das ZDF (ZDF, 22.11.2023) thematisierte die veränderten Zugvogelmuster im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den milden Herbsttemperaturen, die den Rhythmus der Tiere durcheinanderbringen können.
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