September 20, 2024
Mordfall auf der A9: Lebenslange Haft für Auftragskiller und Komplizen
```html

Eine Lehrerin wird auf der A9 in ihrem Auto getötet. Nun hat ein Gericht zwei Männer zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt: Der eine gab den Auftrag, der andere rammte den Wagen der Frau gezielt und erschoss sie.

Für die Ermittler spielte es keine Rolle, dass Carolin G. kurz nach ihrem Tod am 10. Mai 2023 Geburtstag gehabt hätte. Für Björn R., den Mann, der am Freitag vom Landgericht Potsdam als Auftraggeber ihres Mordes verurteilt wurde, schon. Der Streit zwischen den Expartnern um den gemeinsamen kleinen Sohn wurde damals längst mit harten Bandagen ausgetragen. Das Landgericht spricht in seinem Urteil von Psychoterror.

Aber über die letzten Tage im Leben der jungen Mutter sagt der Richter: „Damit Carolin keinen Argwohn hegte, verhielt sich der Angeklagte freundlich und zeigte sich von seiner konzilianten Seite.“ Eigentlich sah die Absprache vor, dass das damals zweijährige Kind das Geburtstagswochenende der Mutter beim Vater verbringen sollte. Um Carolin G. jedoch „in Sicherheit zu wiegen“, habe Björn R. sich bereit erklärt, den Sohn an diesem Tag der Mutter zu überlassen. Der Vorsitzende Richter, Bodo Wermelskirchen, sagte: „R. war klar, dass es dazu nicht mehr kommen würde.“

Nach 37 Verhandlungstagen und 182 Zeugenaussagen ist am Freitag vor dem Landgericht Potsdam der Indizienprozess um den Tod der erschossenen Lehrerin auf der Autobahn 9 zu Ende gegangen. Die Kammer verurteilte beide Angeklagte wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Der 42 Jahre alte Björn R. sei zweifelsfrei der Urheber der Tat, sagte der Vorsitzende Richter in seiner mehr als dreieinhalb Stunden währenden Urteilsbegründung. Der 43 Jahre alte Benjamin K. sei der Schütze. Im Fall des Auftraggebers Björn R. erkannte das Gericht zudem die besondere Schwere der Schuld, was einer vorzeitigen Haftentlassung nach 15 Jahren auf Bewährung entgegensteht. Beide Männer hatten die Tat bis zuletzt bestritten. Ihnen wird zudem die Fahrerlaubnis entzogen.

Die 40 Jahre alte Carolin G. war am frühen Abend des 10. Mai 2023 mit ihrem Wagen auf der Heimfahrt ins brandenburgische Niemegk. Zuvor hatte sie ihren zwei Jahre alten Sohn vereinbarungsgemäß bei Björn R. in Berlin-Zehlendorf abgeliefert. Das Gericht sprach von einem „inszenierten Verkehrsunfall“, weshalb es das Mordmerkmal der Heimtücke gegeben sah. Der Auftragskiller Benjamin K. habe den Hyundai der Frau gezielt gerammt und, als diese auf dem Standstreifen angehalten habe, sein Fahrzeug vor Carolin G. geparkt. Dann habe er einmal durch das Fahrerfenster auf die Lehrerin geschossen, sodass die Scheibe zersplittert sei. Sechs weitere Schüsse hätten Carolin G. in Oberkörper, Bauch und Hüfte getroffen. Die Polizisten, die als Erste an der vermeintlichen Unfallstelle waren, hätten ihr von Angst entstelltes, schmerzverzerrtes Gesicht beschrieben. Wermelskirchen sagte: „Es kam darauf an, dieses Überraschungsmoment auszunutzen.“ Er sprach von einer „regelrechten Hinrichtung“.

Der Mord sei zudem aus niedrigen Beweggründen geschehen, so das Gericht. Björn R. habe aus „krasser Eigensucht“ die Mutter seines Sohnes beseitigen wollen, die er „nur noch als Störfaktor“ empfunden habe. Dass er den Jungen hätte „für sich allein haben“ wollen, nannte Wermelskirchen „hochgradig narzisstisch“. Besonders verwerflich: „Mit der Tat wurde dem Zweijährigen die Mutter genommen.“ Für Carolin G. sei der Junge ein „absolutes Wunschkind“ gewesen, zwischen Mutter und Sohn habe – anders als vom Kindsvater im Sorgerechtsstreit immer wieder behauptet – eine „stabile Beziehung“ bestanden. Der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die Mörder hätten zudem aus Habgier gehandelt, folgte das Gericht nicht.

Björn R., helles Hemd über weißem T-Shirt und die Haare frisch gestutzt, nahm die Urteilsbegründung weitgehend regungslos zur Kenntnis. Wie so oft machte sich der selbständige Elektriker Notizen. Benjamin K. hingegen, der aus gesundheitlichen Gründen Sonnenbrille und Kapuze im Gerichtssaal tragen durfte, klappte der Unterkiefer nach unten. Als das Gericht nicht nur eine finanzielle Abhängigkeit von seinem Schulfreund R., sondern auch ein erotisches Interesse an ihm in den Raum stellte, signalisierte er unterdrückten Protest.

K., der schon in der Waldorfschule als Sonderling galt und nie eine Ausbildung gemacht hat, lebt offen homosexuell. Seiner ausführlichen Einlassung zu Beginn des Prozesses im Januar attestierte das Gericht „klassische Züge eines Ablenkungsgeständnisses“: K. habe darin weniger gravierende Taten wie die Beteiligung an einer Brandstiftung am Elternhaus der Getöteten sowie die Beseitigung des Tatfahrzeugs zugegeben.

Ebenfalls eingeräumt hat Benjamin K., dass er für einen Stundenlohn von 15 Euro für Björn R. vor der Kita des Sohnes spioniert hat, um der Mutter im Sorgerechtsstreit Fehlverhalten nachzuweisen. Immer wieder ist er dabei ganz in Schwarz gekleidet, mit Kapuze und Kappe gesehen worden – genauso wie die Gestalt, die Augenzeugen am 10. Mai 2023 auf dem Standstreifen der A9 neben dem Wagen von Carolin G. gesehen haben.

Die Verurteilung erfolgt allein auf Indizien, die Tatwaffe wurde nie gefunden. Trotzdem sagte Wermelskirchen: „Valide Anhaltspunkte, dass irgendeine andere Person Carolin G. nach dem Leben getrachtet haben könnte“, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. R. habe die Tat „minutiös geplant und entsprechend vorbereitet. Das Gericht ist überzeugt, dass er auch die Schusswaffe besorgt habe. Im Herbst 2022 habe er Kontakt zu einem „zwielichtigen Anwalt“ aufgenommen, der angeblich über Kontakte ins Clan-Milieu verfüge. Einem Bekannten habe er später eine Glock-9-Millimeter-Pistole gezeigt, laut Gericht die spätere Tatwaffe. Björn R. hätten „Hassgefühle und ein tiefsitzendes Rachegefühl“ angetrieben. Er sei zudem der Einzige, der von dem Tod der Lehrerin profitiert hätte.

Das zentrale Beweismittel, um die beiden Männer zu überführen: ein Opel Vectra, der zuvor so oft den Besitzer gewechselt hatte, dass seine Herkunft sich nicht ohne Weiteres zurückverfolgen ließ. Björn R. habe ihn nur angeschafft, um Carolin G. zu töten, so der Richter. Benjamin K. habe den Wagen in den Wochen vor der Tat genutzt, um das Leben von Carolin G. auszukundschaften. Eine Zeugin hatte das Fahrzeug im Abstand von wenigen Tagen in der Nähe ihrer Schule fotografiert – optisch verfremdet zwar und mit unterschiedlichen Kennzeichen, aber doch nachweislich derselbe Wagen. Hochkarätige Sachverständige haben mit ihren Gutachten nach Auffassung des Gerichts bewiesen, dass die Lack- und Unfallspuren an Vectra und Hyundai „gut in Übereinstimmung“ zu bringen seien.

Auch das Nachtatverhalten überführe beide Männer, so das Gericht. Benjamin K. habe versucht, das Tatfahrzeug zu beseitigen und sich ins Ausland absetzen wollen. Er habe die Nummernschilder abgeschraubt, die später in seinem Wohnmobil gefunden wurden, und den Vectra in Brand gesetzt. Björn R. unterdessen habe keinerlei Interesse an dem Schicksal der Mutter seines Sohnes gezeigt, als die Polizei ihn über den vermeintlichen Unfall informiert habe. Vielmehr habe er seinen gesamten Whatsapp-Chat mit dem Benjamin K. gelöscht – ausgerechnet bis zum 10. Mai. Das Gericht führte aus, dass Björn R. schon über einen Zeitraum von elf Monaten immer wieder Morddrohungen gegenüber der Mutter seines Sohnes geäußert habe – insbesondere gegenüber seiner neuen Freundin, mit der er ein weiteres Kind erwartete. Ihr gegenüber schreibt er in Nachrichten von einem „Krieg“, er sei „so voll mit Wut“ und dass er am liebsten „kurzen Prozess“ machen würde.

Als diese Frau von dem gewaltsamen Tod von Carolin G. erfuhr, wandte sie sich an die Polizei und berichtete von den Drohungen. Diese Aussage wurde als entscheidender Wendepunkt in der Ermittlung angesehen. Die Verurteilung der beiden Männer wurde als notwendig erachtet, um ein Zeichen gegen Gewalt in Beziehungen zu setzen und um das Vertrauen in die Justiz zu stärken.

Die Tragik dieser Geschichte liegt nicht nur in der brutalen Tötung einer Mutter, sondern auch in der Zerstörung eines Lebens, das für ihren Sohn von großer Bedeutung war. Die Entscheidung des Gerichts, lebenslange Haftstrafen zu verhängen, soll auch als Warnung an andere dienen, dass solche Taten nicht ungestraft bleiben werden.

Die Urteilsverkündung hat in der Öffentlichkeit großes Interesse geweckt und viele Diskussionen über den Umgang mit Gewalt in Beziehungen und die Verantwortung von Väter in Sorgerechtsstreitigkeiten ausgelöst. Die Gesellschaft wird weiterhin darüber nachdenken müssen, wie solche Tragödien in Zukunft verhindert werden können.

Die Verurteilung ist noch nicht rechtskräftig, und die Angeklagten haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Dies könnte zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen führen, die möglicherweise noch viele Monate in Anspruch nehmen werden.

Die Hinterbliebenen von Carolin G. stehen vor der Herausforderung, mit dem Verlust umzugehen und eine neue Normalität zu finden, während die Gesellschaft die Lehren aus diesem tragischen Fall ziehen muss.

Quellen: FAZ, dpa.

```
Weitere
Artikel