Dass die Ampelregierung als zerstrittener Haufen wahrgenommen wird, hat nicht nur damit zu tun, dass die Akteure Spaß an der Kontroverse haben. Es liegt auch daran, dass die beteiligten Parteien gesellschaftlich relevante Themen grundsätzlich anders bewerten. In der Rentenpolitik tun sich Gräben zwischen der FDP und der SPD auf, die unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wie stark die Rentnergeneration den demographischen Wandel tragen soll. Grüne und FDP dagegen sind sich nicht einig, wie das Geld investiert werden soll, das künftig in der ersten Säule der Altersvorsorge als Generationenkapital zurückgelegt werden soll.
Eine neue Analyse der Umweltorganisation Greenpeace, die dieser Zeitung vorliegt, dürfte die Debatte neu befeuern. Darin nimmt Greenpeace den staatlichen Fonds zur Finanzierung der nuklearen Entsorgung ins Visier, den Kenfo. Der Fonds, der bei der Deutschen Bundesbank angesiedelt ist, verwaltet ein Vermögen von rund 24 Milliarden Euro. Dieses Geld stammt aus den Zahlungen der Energiekonzerne, die dafür aufkommen müssen, dass ihre alten Atomkraftwerke zurückgebaut und die radioaktiven Abfälle entsorgt werden. Laut Gesetz muss der Fonds „sicher, rentabel und marktorientiert“ angelegt werden. Nachhaltigkeitskriterien spielen in dem Gesetz keine Rolle.
Genau das kritisiert Greenpeace. Die Organisation hat die 50 größten Positionen im Aktienportfolio des Fonds untersucht und kommt zu dem Schluss, dass der Kenfo „in großem Stil in Unternehmen investiert, die durch Umweltzerstörung und die Produktion klimaschädlicher Güter Gewinne machen“. So halte der Fonds Aktien von Öl- und Gaskonzernen wie ExxonMobil, Shell und TotalEnergies. Auch der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin und der Tabakkonzern Philip Morris International finden sich im Portfolio des Kenfo wieder. „Es ist ein Skandal, dass der Staat mit dem Geld, das eigentlich für die Bewältigung der Folgen der Atomkraft vorgesehen ist, ausgerechnet Unternehmen unterstützt, die für die Klimakrise und andere Umweltprobleme verantwortlich sind“, sagt Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas.
Die Organisation fordert die Bundesregierung auf, die Anlagestrategie des Kenfo zu ändern und dem Fonds gesetzlich zu verpflichten, ethische, soziale und ökologische Kriterien (ESG) zu berücksichtigen. „Der Staat muss bei seinen eigenen Investitionen mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass er es mit dem Klimaschutz und der Nachhaltigkeit ernst meint“, so Vargas. Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, Deutschland zu einem „führenden Standort für nachhaltige Finanzwirtschaft“ zu machen. Bislang hat sie aber noch keine konkreten Schritte unternommen, um die Anlagepolitik des Kenfo zu ändern.
Die Grünen unterstützen die Forderung von Greenpeace. „Es ist nicht hinnehmbar, dass der Staat mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Unternehmen finanziert, die die Umwelt zerstören und Menschenrechte verletzen“, sagt Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Die FDP sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. „Der Kenfo ist gesetzlich verpflichtet, die ihm anvertrauten Gelder sicher und rentabel anzulegen“, sagt Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „ESG-Kriterien spielen dabei keine Rolle.“
Die SPD hält sich mit einer Bewertung der Greenpeace-Analyse zurück. „Wir nehmen die Kritik von Greenpeace ernst und werden sie zum Anlass nehmen, die Anlagepolitik des Kenfo zu überprüfen“, sagt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Frage, wie nachhaltig der Staat sein Geld anlegen soll, dürfte die Ampelkoalition also noch weiter beschäftigen. As reported by Frankfurter Allgemeine Zeitung