Kfz-Kennzeichen, diese unscheinbaren Kombinationen aus Buchstaben und Zahlen, sind oft mehr als nur eine Notwendigkeit zur Fahrzeugidentifizierung. Sie repräsentieren Heimatverbundenheit, dienen als Marketinginstrument für Städte und bieten auf langen Fahrten kurzweilige Rätselraten. Doch könnte sich die deutsche Kennzeichenlandschaft bald grundlegend verändern? Eine Initiative setzt sich für die Einführung eigener Kennzeichen für Hunderte mittelgroße Städte ein. Wie realistisch ist dieses Vorhaben?
Im Kern geht es um die Einführung individueller Kfz-Kennzeichen für 320 deutsche Städte mit über 20.000 Einwohnern. Initiator Ralf Bochert, Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn, sieht darin die Chance, die lokale Identität dieser Städte zu stärken. „Mit der Einführung eigener Buchstabenkürzel auf dem Nummernschild könnten viele Kommunen die lokale Identität - sowohl nach innen als auch nach außen - stärken“, erklärte Bochert gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Bochert betont den unbürokratischen Charakter des Vorhabens und die geringen Kosten. Seiner Ansicht nach besteht in der Bevölkerung ein starker Wunsch nach lokaler Verortung, dem man auf diese Weise entgegenkommen könne.
Tatsächlich sind regionale Kennzeichen in Deutschland keine Neuheit. Bis 2012 war jedem Verwaltungsbezirk – in der Regel Landkreise und kreisfreie Städte – ein festes Kennzeichen zugeordnet. Mit der Liberalisierung im Jahr 2012 erhielten Autofahrer die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Orts- und Regionalkürzeln zu wählen.
Allerdings bezog sich diese Regelung hauptsächlich auf die Wiedereinführung von Kennzeichen, die durch Gebietsreformen oder Kreisfusionen abgeschafft worden waren. Die Einführung komplett neuer Ortskennungen war und ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen.
Die Wiedereinführung alter Kennzeichen stieß auf große Resonanz. Laut Bundesverkehrsministerium wurden seit 2012 über 300 Alt-Kennzeichen wieder eingeführt. So sind beispielsweise im Bodenseekreis neben „FN“ für Friedrichshafen auch wieder „ÜB“ für Überlingen und „TT“ für Tettnang auf den Straßen unterwegs. Bochert schätzt, dass derzeit rund fünf Millionen Fahrzeuge mit Alt-Kennzeichen in Deutschland zugelassen sind.
Bocherts Entwurf umfasst 320 Mittelstädte, die bisher über kein eigenes Kfz-Kennzeichen verfügen. Darunter befinden sich Städte wie Bad Krozingen (BKR), Bensheim (BEN), Buxtehude (BUX), Dormagen (DOM), Germering (GMR), Norderstedt (NOS), Herzogenaurach (HZA), Radebeul (RAD) und Teltow (TEL).
Der bürokratische Aufwand für die Einführung neuer Kennzeichen hält sich laut Bochert in Grenzen. Zunächst müsste ein Bundesland beim Bundesverkehrsministerium eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung beantragen. Diese müsste anschließend vom Bundesrat verabschiedet werden. „Im Prinzip muss man nur zwei Sätze streichen und ergänzen, dass weitere Kennzeichen möglich sind. Dann ist das Ding durch“, so Bochert.
Im Anschluss an die Genehmigung durch den Bund bliebe das bisherige Verfahren bestehen. Das jeweilige Bundesland müsste die Einführung neuer Kennzeichen beim Bund beantragen, der dann prüft, ob die gewünschten Kennzeichen bereits vergeben oder „sittenwidrig“ sind.
In den vergangenen Tagen haben sich zahlreiche Bürgermeister und Oberbürgermeister positiv zu der Initiative geäußert. Auch die Bundesregierung signalisierte Zustimmung. Man stehe dem Wunsch nach mehr lokaler Verortung durch entsprechende Kennzeichen positiv gegenüber, teilte das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium mit.
Ob die Initiative jedoch tatsächlich umgesetzt wird, hängt letztendlich von den Bundesländern ab. Diese müssten die Anträge auf Einführung neuer Kennzeichen beim Bund stellen. Bisher ist nicht bekannt, ob bereits entsprechende Anträge gestellt wurden.
Ja, die gibt es. Der Deutsche Landkreistag kritisiert die Initiative als überflüssig. „Es gibt wesentlich dringlichere Probleme, Herausforderungen und Zukunftsfragen für unser Land, die unsere gesamte Aufmerksamkeit und Kraft erfordern“, sagte Landkreistagspräsident Achim Brötel (CDU). Er sehe in der Einführung neuer Kennzeichen keinen Mehrwert, sondern lediglich unnötigen Mehraufwand.
Die Zukunft der deutschen Kennzeichenlandschaft bleibt also spannend. Ob sich Autofahrer bald auf eine noch größere Vielfalt an regionalen Kennzeichen einstellen dürfen, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.
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