Die Entdeckung von Polioviren im Abwasser deutscher Städte hat die Thüringer Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD) zu einem eindringlichen Appell an Eltern veranlasst, den Impfschutz ihrer Kinder zu überprüfen und gegebenenfalls zu vervollständigen. Laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) warnte Schenk vor den potenziell schwerwiegenden Folgen einer Polioinfektion, die zu Muskelschäden und dauerhaften Lähmungen führen kann. Kinder unter fünf Jahren mit unvollständigem Impfschutz seien besonders gefährdet.
Das Vorkommen von Polioviren im Abwasser, unter anderem in Dresden, deutet laut Thüringer Gesundheitsministerium auf eine Zirkulation der Erreger und ein mögliches Auftreten von Kinderlähmung hin. ZEIT ONLINE berichtet von Funden in sieben deutschen Städten. Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt an, dass bundesweit 79 Prozent der Einjährigen nicht vollständig gegen Polio geimpft sind, obwohl in diesem Alter die Grundimmunisierung abgeschlossen sein sollte. In Thüringen liegt diese Quote sogar bei 83 Prozent. Auch mit zwei Jahren sind in Thüringen noch 23 Prozent der Kinder nicht ausreichend geschützt.
Wie das ZDF berichtet, handelt es sich bei den gefundenen Viren um sogenannte vakzine-abgeleitete Polioviren (VDPVs), die aus abgeschwächten Lebendimpfstoffen entstehen können. Diese werden vor allem in Ländern mit niedrigem Hygienestandard eingesetzt, um eine schnelle Durchimpfung zu gewährleisten. In Deutschland wird seit 1998 ausschließlich ein Totimpfstoff verwendet. Experten gehen davon aus, dass die Viren durch Personen eingeschleppt wurden, die im Ausland eine Schluckimpfung erhalten haben und die Impfviren ausscheiden. Prof. Dr. Christian Bogdan vom Universitätsklinikum Erlangen erklärte gegenüber dem ZDF, die lebenden Impfviren stammten vermutlich von zugewanderten Personen, die mit der Polio-Lebendvakzine geimpft wurden.
Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) warnt vor bestehenden Impflücken bei der Polio-Impfung, wie die Süddeutsche Zeitung am 12. Dezember 2024 berichtete. Die STIKO unterstreicht die Notwendigkeit, den Impfstatus zu überprüfen und fehlende Impfungen nachzuholen. Laut STIKO sind lediglich 21 Prozent der zwölf Monate alten Kinder vollständig geimpft. Das RKI empfiehlt eine Impfquote von mindestens 95 Prozent bis zum Ende des ersten Lebensjahres.
Das Sozialministerium Baden-Württemberg gab bekannt, dass die Untersuchung von Abwasserproben auf Polioviren nun in das Untersuchungsprogramm des RKI aufgenommen wird. Gesundheitsminister Manne Lucha betonte die Bedeutung eines vollständigen Impfschutzes und rief die Bevölkerung dazu auf, ihren Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls zu vervollständigen. Prof. Gottfried Roller, Leiter des Landesgesundheitsamtes, erklärte, dass gute Händehygiene zwar die Ansteckung und Verbreitung von Polio-Viren reduzieren könne, der beste Schutz aber ein vollständiger Impfschutz bleibe.
Das Auswärtige Amt informiert auf seiner Webseite über die Impfempfehlungen für Reisen ins Ausland. Abhängig vom Risikograd des Reiselandes werden unterschiedliche Impfmaßnahmen empfohlen. In Ländern mit zirkulierenden Polioviren kann die Einreise ohne gültigen Impfnachweis verweigert werden.
Quellen: - https://www.zeit.de/news/2024-12/18/impf-appell-ministerin-warnt-vor-kinderlaehmung - https://www.zdf.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/polio-polioviren-kinderlaehmung-impfung-symptome-100.html - https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/polio-impfung-stiko-kinderlaehmung-impfpass-li.3165738 - https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/nachweis-von-polioviren-im-abwasser-vier-deutscher-staedte - https://www.auswaertiges-amt.de/de/reiseundsicherheit/reise-gesundheit/2517492-2517492 - https://www.zeit.de/gesundheit/2024-12/polioviren-robert-koch-institut-kinder-impfschutz - https://thueringen.de/dpa-meldungen/impf-appell-ministerin-warnt-vor-kinderlaehmung-402679 - https://www.volksstimme.de/panorama/frau-im-bus-beschimpft-mahnmal-beschmiert-3968664 - https://www.krankenkassen.de/