15.11.2024
Rekordverdächtig Viele Lobbyisten der Fossilen Brennstoffindustrie auf der COP29 in Baku

Fast 1.800 Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie auf der UN-Klimakonferenz in Baku

Die UN-Klimakonferenz in Baku (COP29) steht im Zeichen des Kampfes gegen die Erderwärmung. Doch wie die Koalition "Kick Big Polluters Out", unterstützt von Organisationen wie Transparency International, Global Witness, Greenpeace und dem Climate Action Network, berichtet, sind mindestens 1.773 Lobbyisten der Öl-, Gas- und Kohleindustrie offiziell bei dem Treffen akkreditiert. Diese Zahl basiert auf einer Auswertung öffentlich zugänglicher Daten des UN-Klimasekretariats (UNFCCC), wie die dpa am 15. November 2024 meldete.

Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass die Anzahl der Lobbyisten die der Delegierten aus den zehn am stärksten von der Erderwärmung betroffenen Ländern übersteigt. Nnimmo Bassey von "Kick Big Polluters Out" vergleicht den Einfluss der Lobbyisten mit einer "giftigen Schlange", die die Zukunft des Planeten bedroht. Er betont die Notwendigkeit, ihre "Täuschungen aufzudecken" und ihren Einfluss zu minimieren.

Die Präsenz der Lobbyisten steht im Kontrast zu den Beschlüssen der COP28 in Dubai im Vorjahr, wo sich die teilnehmenden Staaten auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen geeinigt hatten. Die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle setzt große Mengen an CO2 frei, was maßgeblich zur Erderwärmung beiträgt. Wie die Zeit berichtet, waren in Dubai sogar über 2.450 Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie anwesend – ein Rekord. In Ägypten im Jahr davor waren es 636. Die schwankenden Teilnehmerzahlen der Konferenzen könnten eine Erklärung für diese Unterschiede sein. In Baku liegt die Gesamtteilnehmerzahl mit gut 52.000 deutlich unter der von Dubai mit rund 97.000.

Der Druck der Zivilgesellschaft führte in Dubai dazu, dass alle Teilnehmer erstmals offenlegen mussten, wen sie vertreten. Dadurch wurden laut Aktivisten zahlreiche Lobbyisten "entlarvt", die zuvor vermutlich unerkannt als Teil von Delegationen oder Wirtschaftsverbänden teilgenommen hatten. Die zweiwöchige UN-Klimakonferenz in Baku soll planmäßig am 22. November enden.

Die starke Präsenz der Lobbyisten wirft Fragen nach der Unabhängigkeit und Effektivität der Klimaverhandlungen auf. Wie LobbyControl in einer Pressemitteilung vom 7. November 2024 kritisierte, untergraben die Geschäftsmodelle der fossilen Energie- und Agrarindustrie die internationalen Klimaziele und verhindern den notwendigen Systemwandel. Die Organisation fordert, dass Regierungsdelegationen keine Vertreter von Unternehmen aufnehmen, deren Geschäftsmodelle dem Klimaschutz entgegenstehen. Auch die enge Verwicklung des COP29-Präsidenten Mukhtar Babayev mit dem staatlichen Öl- und Gaskonzern SOCAR gibt Anlass zur Sorge, wie Recherchen von Transparency International und dem Anti-Corruption Data Collective zeigen.

Der UN-Bericht vom 8. November 2023, über den die Tagesschau berichtete, verdeutlicht die Diskrepanz zwischen den geplanten Fördermengen fossiler Brennstoffe und den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Die geplante Produktion für 2030 liegt mehr als doppelt so hoch wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar. Deutschland, weltweit der zweitgrößte Produzent von Braunkohle, wird in dem Bericht ebenfalls kritisiert, da der Ausbau von LNG-Terminals indirekt die internationale Gasproduktion fördert.

Die Diskussion um die Energiewende und die Rolle der fossilen Brennstoffindustrie wird auch in der deutschen Öffentlichkeit geführt. In seinem Buch "Unter Strom: Die neuen Spielregeln der Stromwirtschaft" (Springer, 2014) analysiert Philip Würfel die komplexen Zusammenhänge der Energiewirtschaft und den Umbau der Stromversorgung in Deutschland.

Quellen:

  • dpa (15. November 2024): Erderwärmung: Fast 1.800 Öl-, Gas- und Kohle-Lobbyisten auf UN-Klimagipfel (veröffentlicht auf Zeit Online)
  • Zeit Online: https://www.zeit.de/news/2024-11/15/fast-1-800-oel-gas-und-kohle-lobbyisten-auf-un-klimagipfel
  • LobbyControl: https://www.lobbycontrol.de/pressemitteilung/29-weltklimagipfel-gipfel-fuer-den-klimaschutz-nicht-fuer-konzerninteressen-118443/
  • Tagesschau: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/un-fossile-energien-klimawandel-100.html
  • Aachener Zeitung: https://www.aachener-zeitung.de/politik/fast-1.800-oel-gas-und-kohle-lobbyisten-auf-un-klimagipfel/26733351.html
  • Springer Link: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-05875-3
  • Nomos eLibrary: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783741002199/raus-aus-der-hochschule-hinein-in-eine-bessere-welt
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