Die niederländische Fotografin Rineke Dijkstra präsentiert in der Berlinischen Galerie einen umfassenden Überblick über ihr Schaffen. Die Ausstellung „Still – Moving. Portraits 1992-2024“ fokussiert auf Porträts, die den Wandel von Kindern und Jugendlichen zu jungen Erwachsenen dokumentieren. Wie Andreas Kilb in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) berichtet, erinnert Dijkstras Werk an Malerei, nicht aufgrund der Sujets, sondern durch die besondere Ästhetik der Bilder. Die Porträtierten, oft vor neutralem Hintergrund oder in natürlichen Umgebungen wie Parks oder Stränden aufgenommen, wirken still, aber nicht statisch. Sie schauen direkt in die Kamera, ihre Haltung natürlich und ungekünstelt.
Dijkstra arbeitet mit einer 4-mal-5-Zoll-Laufbodenkamera, die auf einem Stativ montiert ist und mit einzelnen Fotoplatten bestückt wird. Diese Technik, so Kilb in der FAZ, erfordert einen geschützten Raum und einen intensiven Dialog zwischen Fotografin und Modell. Die Bilder tragen die Spuren dieser Begegnungen und erhalten dadurch eine besondere malerische Qualität, die an niederländische Altmeister erinnert, obwohl Dijkstra selbst Fotografinnen wie Diane Arbus als Inspiration nennt.
Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie, die bis zum 10. Februar 2025 läuft, zeigt unter anderem Serien von jungen Müttern kurz nach der Geburt, portugiesischen Stierkämpfern und dem jungen Fremdenlegionär Olivier. Die Gegenüberstellung der Mütter und Stierkämpfer, beide markiert durch das Blut, verdeutlicht laut FAZ die Individualität der einzelnen Gruppen und ihrer Schicksale. Dijkstras Fotos zeigen Menschen in Momenten der Veränderung, des Übergangs.
Die Fotografin erklärte bei der Ausstellungseröffnung, dass sie in ihren Bildern nach formaler Strenge und Einheitlichkeit strebe, da sie weniger am Individuellen als am Typischen interessiert sei. Die Langzeitserien von Olivier und der aus Jugoslawien geflüchteten Almerisa, die seit 1994 fotografiert wird, scheinen diesem Anspruch zunächst zu widersprechen. Doch bei genauerer Betrachtung, so Kilb, wird deutlich, dass es bei Olivier nicht um die Person, sondern um den Prozess der militärischen Prägung geht. Almerisas Geschichte hingegen zeigt die Entwicklung eines schüchternen Kindes zu einer selbstbewussten Frau über drei Jahrzehnte.
Wie Ingeborg Ruthe in der Frankfurter Rundschau schreibt, konzentriert sich Dijkstra auf die Authentizität ihrer Modelle und fängt die Persönlichkeitsentwicklung in der Phase zwischen Kindheit und Erwachsenwerden ein. Die Ausstellung beginnt mit der Serie „Parks“, die zwischen 1998 und 2006 entstand, darunter auch Aufnahmen aus dem Berliner Tiergarten. Dijkstra, die in den 1990er Jahren mit einem DAAD-Stipendium nach Berlin kam, zeigt Kinder inmitten sommerlicher Vegetation, mal spielend, mal isoliert in der Umgebung.
Die Berlinische Galerie bietet mit dieser Ausstellung einen Einblick in Dijkstras einzigartiges Werk, das den flüchtigen Moment des Übergangs festhält und die Vergänglichkeit des Lebens in eindrucksvollen Bildern dokumentiert. Ergänzend dazu zeigt die Galerie Max Hetzler in Berlin bis zum 20. Dezember weitere Kinder- und Jugendporträts der Künstlerin.
Ein Interview mit Dijkstra im Kunstforum International gibt weitere Einblicke in die Entstehung der "New Mothers"-Serie. Dijkstra beschreibt darin den bewegenden Moment, der sie zur Entstehung der Serie inspirierte, und die Diskrepanz zwischen der medialen Darstellung von Geburt und ihrer eigenen Erfahrung. Die Künstlerin betont den intimen und emotionalen Charakter des Projekts.
Die Ausstellung in der Berlinischen Galerie bietet somit eine umfassende Retrospektive von Dijkstras Werk und lädt dazu ein, die subtilen Nuancen menschlicher Veränderung und die Schönheit des Alltäglichen zu entdecken.
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