15.11.2024
Russischer Propagandafilm Nürnberg Verfälschung der Geschichte und Antisemitismus

Russische Propaganda in Koblenz: Der Holocaust kommt gar nicht vor

Die Vorführung des russischen Films „Nürnberg“ im Coenen Palais in Koblenz hat für erhebliche Kritik gesorgt. Der Film, der im Auftrag des Kremls entstanden ist, wird als Propagandawerk angesehen, das die Geschichte verfälscht und den Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigen soll. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 15.11.2024 berichtete, steht im Film nicht der historische Prozess im Vordergrund, sondern ein Spionagethriller mit einer Liebesgeschichte.

Die Darstellung der Nürnberger Prozesse im Film weicht stark von der historischen Realität ab. Während die Prozesse 1945 einen Meilenstein im Völkerrecht darstellten und die Verbrechen der Nationalsozialisten aufarbeiteten, nutzt der russische Film die Thematik, um ein alternatives Narrativ zu konstruieren. Dieses Narrativ dient der russischen Propaganda, die seit Jahren versucht, die Ukraine als „Nazi-Staat“ darzustellen und so den Angriffskrieg zu legitimieren.

Die Strategie der „Entnazifizierung“ als Kriegsgrund wurde von Wladimir Putin bereits zu Beginn des Krieges propagiert. Wie der ARD-Faktenfinder am 25.02.2022 berichtete, wird dieses Bild einer „Nazi-Ukraine“ vom Kreml seit Jahren aufgebaut. Die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband, die vom ARD-Faktenfinder zitiert wird, bezeichnet Putins Darstellung als Propaganda. Sie betont, dass Putin seit Jahren über seine Medien die Geschichte einer westlich gesteuerten Nazi-Revolution in der Ukraine verbreitet.

Tatsächlich gab es in der Ukraine rechtsextreme Strömungen und Organisationen, wie der ARD-Faktenfinder berichtet. Diese waren jedoch bei Wahlen nicht erfolgreich und der aktuelle Präsident, Wolodymyr Selenskyj, ist jüdischer Herkunft. Der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte gegenüber dem ARD-Faktenfinder, dass Putins Rhetorik lediglich ein Vorwand sei. Der Mythos der „Nazi-Regierung“ diene dazu, die heroische Erzählung vom Sieg über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg zu bedienen.

Die Verharmlosung und Leugnung des Holocausts ist ein wiederkehrendes Element in der russischen Propaganda. Während der Film „Nürnberg“ die Nürnberger Prozesse instrumentalisiert, wird die historische Bedeutung des Holocausts für die Ukraine und Europa systematisch ausgeblendet. Wie SWR Wissen erklärt, wurden im Holocaust sechs Millionen Juden von den Nationalsozialisten ermordet. Diese Zahl ist wissenschaftlich gut belegt und basiert auf verschiedenen Quellen, darunter Angaben des Hitler-Regimes, Bevölkerungsstatistiken und Forschungsprojekte.

Die russische Propaganda nutzt antisemitische Narrative, um ihre Ziele zu erreichen. Ksenija Poluektowa-Krimer analysiert in den Russland-Analysen (Ausgabe 448, 03.04.2024) den wiedererstarkenden Antisemitismus in Russland. Sie argumentiert, dass der Krieg gegen die Ukraine, der von der russischen Propaganda als Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs dargestellt wird, revisionistische Diskurse über den Holocaust und die Geschichte jüdischer Menschen in der Ukraine verstärkt. Verschwörungstheoretische Narrative über die „eigentlichen“ Gründe und Nutznießer des Krieges beleben antisemitische Vorurteile aus der Sowjetära wieder.

Die Vorführung des Films „Nürnberg“ in Koblenz steht somit im Kontext einer umfassenderen Strategie der russischen Propaganda, die Geschichte zu verfälschen und antisemitische Ressentiments zu schüren. Die Veranstaltung wirft Fragen nach der Verbreitung von Propaganda und der Bedeutung einer kritischen Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen auf.

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