Die Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wirft Fragen zur zukünftigen Sicherheitsarchitektur Europas auf. Wie die FAZ am 14.11.2024 berichtete, ist eine Reaktion geprägt von „Empörung, Besserwisserei und Hysterie“, wie sie Trumps erste Amtszeit begleitete, nicht zielführend. Vielmehr erfordert die neue Realität eine nüchterne Analyse und strategische Anpassung.
Trumps Verhalten wird oft als unberechenbar bezeichnet. Doch wie Nikolas Busse in der FAZ anmerkt, ist die Frage nach der Berechenbarkeit von Politikern generell zu stellen. Ähnlich wie die unerwartete deutsche Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine, könnte auch Trumps Politik von den Umständen beeinflusst werden. Seine Unberechenbarkeit liegt eher in seiner Abweichung von den etablierten Verhaltensmustern amerikanischer Präsidenten.
Zwei Konstanten in Trumps politischem Handeln lassen sich erkennen: der Wunsch, Amerika aus Kriegen herauszuhalten, und die Tendenz, Kosten auf andere abzuwälzen. Dies führte in seiner ersten Amtszeit zu Entscheidungen, die Verbündete vor den Kopf stießen, wie das Abkommen mit den Taliban oder die mangelnde Unterstützung Saudi-Arabiens nach Angriffen auf Ölanlagen. Obwohl die Beziehungen zu Russland und Europa aufgrund der nuklearen Dimension einen anderen Stellenwert haben, deuten Äußerungen aus Trumps Umfeld auf eine ähnliche Denkweise hin.
Im Ukraine-Konflikt herrscht in Washington die Meinung vor, dass dieser beendet werden müsse, um Ressourcen für die Auseinandersetzung mit China frei zu machen. Wie die FAZ berichtet, kursiert die Idee eines Waffenstillstands mit einer von europäischen Truppen überwachten entmilitarisierten Zone und einem vorläufigen Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Ob Trump diese Option teilt, ist unklar. Seine Strategie zur Durchsetzung einer solchen Einigung bleibt ebenfalls offen. Denkbar wäre eine Drohung gegenüber Moskau mit weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine und gleichzeitig eine Drohung gegenüber Kiew mit dem Entzug amerikanischer Unterstützung. Sollte keine Einigung erzielt werden, könnte Trump den Konflikt, ähnlich wie in seiner ersten Amtszeit die Verhandlungen mit Nordkorea, einfach fallen lassen.
Ein weiteres Thema, das Trump wiederholt aufgreift, sind die europäischen Verteidigungsausgaben. Er erwägt offenbar, die Artikel-5-Garantie der NATO auf Länder zu beschränken, die das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllen. Zusätzlich wird in republikanischen Kreisen die Idee diskutiert, dass sich Amerika in der NATO primär auf die nukleare Abschreckung konzentrieren sollte, während die konventionelle Verteidigung hauptsächlich von den Europäern getragen wird.
Solche Entwicklungen würden die europäische Sicherheitsarchitektur grundlegend verändern. Europa müsste entweder die Ukraine im Alleingang unterstützen, was ohne Amerikas Zustimmung schwierig wäre, oder möglicherweise die Ukraine gegen Russland absichern. In jedem Fall wäre eine massive Aufrüstung der europäischen Verteidigung notwendig, eine Aufgabe, in der, wie die FAZ schreibt, eine ganze Generation von Politikern versagt hat.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 12. November 2024, dass Trump Europa zu höheren Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung zwingen wird und seine "America First"-Politik auch handelspolitisch fortsetzen wird. Dies stellt Europa vor die Herausforderung, die notwendigen finanziellen Mittel für die Verteidigung seines Wohlstands aufzubringen.
Laut einem Artikel auf LinkedIn von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik vom 31. Oktober 2024, ist Europa derzeit nicht ausreichend auf die globale Ordnungskonkurrenz vorbereitet und von den USA als Sicherheitsgarant abhängig. Unabhängig vom Wahlausgang in den USA müsse Europa in seine eigene Handlungs- und Verteidigungsfähigkeit investieren.
Die Tagesschau berichtete am 12. Februar 2024 über die Empörung deutscher Außenpolitiker über Trumps Äußerungen zur NATO-Beistandspflicht. Trumps Ankündigung, säumige Partner nicht zu schützen, wurde als Einladung an Putin gewertet, das Bündnis zu testen. Die Bundesregierung betonte hingegen, dass Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfülle.
In einem Meinungsartikel in der Welt vom 8. November 2024 argumentiert Mathias Döpfner, dass Trumps Wiederwahl eine Chance für Europa sein könnte, wenn sich die deutsche Bundesregierung entsprechend positioniert.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 14. November 2024 über ein Telefonat zwischen Scholz und Selenskij, in dem der ukrainische Präsident die Hoffnung auf weitere deutsche Unterstützung äußerte, insbesondere bei der Lieferung von Flugabwehrsystemen. Scholz bekräftigte die deutsche Solidarität mit der Ukraine.
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