19.10.2024
Ungarns Migrationspolitik im Fokus: Drohungen und Herausforderungen für Roma-Flüchtlinge

Migration: Ungarn droht der EU und wirft Roma auf die Straße

Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat erneut mit drastischen Maßnahmen in der Migrationspolitik auf sich aufmerksam gemacht. In einer aktuellen Pressekonferenz kündigte der Leiter der Staatskanzlei, Gergely Gulyás, an, dass Ungarn Migranten, die an der Grenze ankommen, künftig mit „One-Way-Tickets“ nach Brüssel schicken könnte, falls die EU weiterhin Zwangsgelder für die Nichtumsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fordert. Diese Drohung ist Teil einer anhaltenden Auseinandersetzung zwischen Ungarn und der Europäischen Union über die Asylpolitik und die Behandlung von Migranten.

Der EuGH hatte im Juni 2024 entschieden, dass Ungarn gegen EU-Recht verstößt, indem es den Zugang zu Asylverfahren stark einschränkt. Insbesondere wurde kritisiert, dass das Land es Menschen faktisch unmöglich macht, einen Asylantrag zu stellen, indem es den Zugang zu Transitzonen drastisch limitiert und Migranten in diesen Zonen unzulässig inhaftiert. Diese Entscheidungen führten zu einer Geldstrafe von 200 Millionen Euro sowie einem täglichen Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden weiteren Tag des Verzugs, was die ungarische Regierung als „inakzeptabel, intolerabel und würdelos“ bezeichnete.

Drastische Maßnahmen gegen Roma-Flüchtlinge

Parallel zu diesen politischen Spannungen hat die ungarische Regierung auch konkrete Maßnahmen gegen geflüchtete Roma aus der Ukraine ergriffen. Diese Woche wurden in der nordwestlich von Budapest gelegenen Gemeinde Kocs etwa 120 Angehörige der Roma-Minderheit, die aus dem westukrainischen Gebiet Transkarpatien stammen, aus ihren Unterkünften geworfen. Diese Entscheidung basiert auf einem Erlass der Budapester Regierung, der besagt, dass Flüchtlinge aus nicht militärisch betroffenen Gebieten der Ukraine keine staatliche Unterstützung mehr erhalten.

Minister Gulyás verteidigte das Vorgehen und erklärte, dass sich in Ungarn eine Praxis entwickelt habe, bei der rund 4000 Menschen von staatlichen Geldern leben, ohne eine Arbeit anzunehmen. Er betonte, dass es nicht unmöglich sei, in Ungarn eine Arbeit zu finden, und dass jeder, der wolle, auch arbeiten könne. Diese Argumentation wurde jedoch von Hilfsorganisationen scharf kritisiert. Die Organisation Migration Aid bezeichnete die Zwangsräumung als „vielleicht größte kollektive Zwangsräumung in der Geschichte des Landes“ und hob hervor, dass die Hälfte der betroffenen Roma minderjährig sei.

Die Situation der betroffenen Roma

Die betroffenen Roma, viele von ihnen Mütter mit mehreren Kindern, berichteten den Medien, dass sie nach der Zwangsräumung keinen Ort hätten, an den sie gehen könnten. Die Rückkehr in segregierte, ghettoartige Siedlungen drohe, was die Situation der bereits marginalisierten Gruppe weiter verschärfen würde. Trotz der ungarischen Staatsbürgerschaft der meisten Betroffenen, die als ungarischsprachige Roma gelten, wird ihnen der Zugang zu den notwendigen Ressourcen und Unterstützung verwehrt.

Die ungarische Regierung hatte nach dem Beginn des russischen Übergriffs auf die Ukraine im Februar 2022 erklärt, den Schutz der ungarischsprachigen Minderheit in der Ukraine zu einer ihrer obersten Prioritäten zu machen. Diese Widersprüche in der politischen Rhetorik und den tatsächlichen Maßnahmen werfen Fragen zur Konsistenz der ungarischen Migrationspolitik auf.

Reaktionen auf die ungarische Migrationspolitik

Die Reaktionen auf die ungarische Migrationspolitik sind gemischt. Während die ungarische Regierung ihre Maßnahmen als notwendig zur Wahrung der nationalen Interessen und zur Kontrolle der Migration darstellt, kritisieren Menschenrechtsorganisationen und internationale Beobachter die Verletzung von Menschenrechten und die Diskriminierung von Minderheiten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hat die ungarische Regierung aufgefordert, eine menschenwürdige Unterbringung für alle Flüchtlinge sicherzustellen und die bisherigen Integrationsfortschritte nicht zu gefährden.

Die Situation in Ungarn ist Teil eines größeren Trends in Europa, wo viele Länder versuchen, ihre Grenzen zu sichern und die Migration zu kontrollieren. Die ungarische Regierung hat sich in den letzten Jahren zunehmend gegen die EU und ihre Asylpolitik positioniert, was zu Spannungen und Konflikten mit den europäischen Institutionen geführt hat.

Ausblick

Die ungarische Regierung plant, weiterhin Druck auf die EU auszuüben, um ihre Position zu stärken und möglicherweise finanzielle Unterstützung für die Grenzsicherung zu erhalten. Die Drohung, Migranten nach Brüssel zu schicken, könnte als strategisches Mittel gesehen werden, um die EU dazu zu bewegen, ihre Asylpolitik zu überdenken und Ungarn mehr Autonomie in der Migrationsfrage zu gewähren.

In der Zwischenzeit bleibt die Situation für die betroffenen Roma und andere Flüchtlinge in Ungarn angespannt, da sie mit Unsicherheit und der Gefahr von Obdachlosigkeit konfrontiert sind. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie sich die politischen Verhandlungen zwischen Ungarn und der EU entwickeln und welche Auswirkungen dies auf die humanitäre Lage der Migranten in der Region haben wird.

Quellen: F.A.Z., dpa, Migration Aid

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