25.11.2024
Wiener Grant Zwischen Imagekampagne Und Realität

Der Wiener Grant: Zwischen Klischee und kultureller Realität

Wien – die lebenswerteste Stadt der Welt laut „The Economist“ – hat in einer anderen Umfrage einen weniger schmeichelhaften Titel verloren: den der unfreundlichsten Stadt. Wie die F.A.Z. berichtet, musste Wien den ersten Platz an Berlin und München abtreten. Die Umfrage der Publikation „Expat Insider“ befragte Expats, also im Ausland lebende Angestellte, zu ihren Erfahrungen in 53 Städten weltweit. Neben der oft fehlenden Möglichkeit, mit Kreditkarte zu zahlen, wurde auch die „Unfreundlichkeit mancher Einheimischer“ bemängelt. Dies verweist auf ein Phänomen, das in Wien offenbar gepflegt wird: den Wiener Grant.

Der Wiener Grant ist mehr als nur eine Redensart, er ist in der Kultur der Stadt tief verwurzelt. Literarische Beispiele, wie die von Friedrich Torberg erzählte Anekdote des grantelnden Kaffeehauswirts, illustrieren dieses spezifische Wiener Mischung aus Sarkasmus, Melancholischer und pessimistischer Weltsicht. Wie die F.A.Z. weiter ausführt, wird der Grant in Wien sogar vermarktet, etwa in Form einer gleichnamigen Spirituose.

Die Rathauskorrespondenz, der Pressedienst der Stadt Wien, beschreibt den Grant als „historisch gewachsenes Phänomen“, das sich auch in der Kunst der Stadt widerspiegelt. Eine Website für Neu-Wiener listet sogar 15 typische Situationen auf, in denen man dem Wiener Grant begegnen kann, etwa beim Laufen auf Radwegen oder der Bestellung von Ketchup zum Schnitzel.

Die Diskussion um den verlorenen Titel der unfreundlichsten Stadt wird in Wien ernst genommen. Die Wiener „Presse“ fordert die Stadt sogar dazu auf, „wieder schimpfen zu lernen“. Der „Standard“ ging sogar so weit, den Grant gemeinsam mit dem Würstelstand zum Weltkulturerbe zu erklären.

Parallel zu dieser Debatte lief im Herbst 2024 die WienTourismus-Kampagne „Friendly Idols“, die gezielt mit dem Image des Wiener Grants spielte. Wie die Rathauskorrespondenz und diverse Medien (u.a. Aviareps, Das Fotoportal) berichteten, wurden in Kooperation mit Wiener Museen berühmte Kunstwerke, darunter Werke von Schiele, Klimt und Dürer, digital so bearbeitet, dass die dargestellten Personen lächeln. Mittels der App „Artivive“ konnten Besucher diese veränderten Kunstwerke in den Museen betrachten. Die Kampagne zielte darauf ab, das widersprüchliche Image Wiens zwischen Lebensqualität und Grant auf spielerische Weise zu beleuchten.

Der Kurier beleuchtet in einem Artikel vom 20. Januar 2019 weitere Klischees über Wien, die von der angeblichen Unbeliebtheit der Wiener bei den Bewohnern anderer Bundesländer, über die hohe Zahl an Mindestsicherungsbeziehern bis hin zu den Finanzen der Stadt reichen. Der Artikel bietet eine differenzierte Betrachtung dieser Klischees und hinterfragt ihre tatsächliche Begründetheit.

Quellen:
  • F.A.Z.: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/mehr-als-ein-klischee-wo-bleibt-der-wiener-grant-110133437.html
  • Rathauskorrespondenz: https://presse.wien.gv.at/presse/2024/10/03/world-smile-day-startschuss-fuer-wientourismus-kampagne-friendly-idols
  • Aviareps: https://www.aviareps.de/de/news/ein-laecheln-fuer-wien-world-smile-day-als-startschuss-fuer-die-neue-wientourismus-kampagne-friendly-idols/
  • Kurier: https://kurier.at/politik/inland/grantig-und-gefaehrlich-die-klischees-ueber-wien/400382864?kid=a6fcc1f9ff70349a69142cc4123f0bb2b5f79e88
  • Das Fotoportal: https://www.dasfotoportal.de/wien-macht-sich-lustig-ueber-sich-selbst
  • Der Standard: https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/2000120237913/wien-die-welthauptstadt-des-grants
  • Reisen & Golfen: https://reisenundgolfen.de/?set=pages&p=aktuelles&pID=4234
  • Die Presse: https://www.diepresse.com/18926533/lachender-duerer-hase-statt-wiener-grant-neue-wien-kampagne-zum-world-smile-day
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