Angst vor Repressalien treibt russischen Comiczeichner nach Belgrad
Der russische Comiczeichner Gleb Puschew suchte kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine Zuflucht in Belgrad. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAZ) berichtet, lebte er in St. Petersburg in ständiger Furcht vor Verfolgung durch den russischen Staat. Diese Angst wurde durch Anrufe vom Einberufungsamt verstärkt, obwohl er aufgrund seines Asthmas eigentlich vom Wehrdienst befreit sein sollte. Die FAZ schildert, wie Puschew sich ständig bedroht fühlte, überall „Häscher des Regimes“ zu sehen glaubte, sei es in der U-Bahn, an Bushaltestellen oder auf offener Straße. Trotz seiner Abscheu gegenüber Putin und seiner Verurteilung des Krieges wagte er es nicht, an Protesten in St. Petersburg teilzunehmen – die Angst vor einer Verhaftung war zu groß. Zusammen mit seiner Frau Anja und ihrem gemeinsamen Sohn entschloss er sich zur Flucht nach Belgrad.
Serbien bot sich als Zufluchtsort an, da für russische Staatsbürger keine Visumpflicht besteht und Air Serbia weiterhin Direktflüge aus Russland anbietet. Die kulturelle Nähe zwischen Serben und Russen, die gemeinsame orthodoxe Religion und das kyrillische Alphabet waren weitere Faktoren, die für Serbien sprachen. Die Familie fand laut FAZ zunächst Unterkunft bei einer russischen Freundin in Belgrad. Für Gleb, der mit seinen Comics bisher nur ein bescheidenes Einkommen erzielt hatte, stellte Serbien eine erschwingliche Möglichkeit dar, dem Zugriff des russischen Staates zu entkommen.
In Belgrad angekommen, engagierte sich das Paar in der russischen Diaspora und beteiligte sich an Antikriegsdemonstrationen. Sie organisierten oppositionelle Veranstaltungen und erstellten Graffiti zur Unterstützung der Ukraine. Wie die FAZ berichtet, stießen sie dabei jedoch auch auf Unverständnis und Ablehnung seitens einiger Serben. Viele Serben hegen Sympathien für Putin und schenken der russischen Propaganda Glauben, die den Krieg als gerechtfertigten Kampf gegen die NATO und die USA darstellt. Gleb versucht, diese Menschen vom Gegenteil zu überzeugen und ihnen die Wahrheit über Putin als Kriegsverbrecher zu vermitteln. Er schätzt die Freundlichkeit und Offenheit vieler Serben, bedauert aber gleichzeitig deren Anfälligkeit für Putins Propaganda.
Die Frankfurter Rundschau beschreibt die ambivalente Situation vieler russischer Flüchtlinge in Serbien. Das Land bietet ihnen zwar Schutz und die Möglichkeit, ihre Meinung frei zu äußern, gleichzeitig treffen sie aber auf eine Bevölkerung, die teilweise den russischen Angriffskrieg unterstützt. Die zunehmende Zahl russischer Flüchtlinge wirkt sich auch auf den serbischen Immobilienmarkt aus. Die Zeitung „Blic“ berichtet, dass die Neuankömmlinge die Preise für Wohnungen und Häuser in die Höhe treiben, was in der Bevölkerung Besorgnis auslöst.
Für viele Russen stellt die Flucht nach Serbien ein Dilemma dar. Sie finden zwar Sicherheit vor Verfolgung, müssen aber gleichzeitig mit der Unterstützung für Putin innerhalb eines Teils der serbischen Bevölkerung umgehen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der russischen Immigration stellen Serbien vor neue Herausforderungen.
Quellen:
- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/flucht-nach-belgrad-seine-angst-war-groesser-als-sein-hass-auf-putin-110184755.html
- Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/politik/auswanderung-ukraine-krieg-russland-putin-menschen-serbien-belgrad-flucht-91498062.html
- Blic (serbische Zeitung)