23.10.2024
Almodóvars Abschied: The Room Next Door

Das Ende eines Lebens und das Ende der Welt fallen in jedem individuellen Tod zusammen. Wenn jemand stirbt, hört für diesen Menschen alles auf. Doch wie sieht es mit den Menschen drum herum aus? Was bleibt von ihnen, wenn die Welt eines geliebten Menschen stillsteht? Diesen Fragen widmet sich der neue Film von Pedro Almodóvar, „The Room Next Door“, in dem er auf einfühlsame und zugleich schonungslose Weise von zwei Freundinnen, dem nahenden Tod der einen und dem Kampf gegen die Vergänglichkeit erzählt.

Im Zentrum der Geschichte steht die Journalistin Martha (Tilda Swinton), die mit einer niederschmetternden Krebsdiagnose konfrontiert wird. Die Nachricht trifft sie mit voller Wucht, doch ihre Reaktion ist von einer fast provokanten Nüchternheit geprägt. Die Tortur der Behandlungen hat sie hinter sich gebracht, nun gilt es nur noch, den Zeitpunkt des Abschieds selbst zu bestimmen. Da ihr das gewünschte Mittel in Amerika nicht legal zugänglich ist, wendet sie sich an das Darknet, das scheinbar für jedes Problem eine Lösung bereithält.

Euthanasie ist der Fachbegriff für Marthas Vorhaben, und Almodóvar scheut sich nicht, dieses kontroverse Thema in seinem ersten englischsprachigen Film aufzugreifen. „The Room Next Door“ ist somit nicht nur eine zutiefst persönliche Geschichte über Verlust und Abschied, sondern auch ein Film, der eine wichtige gesellschaftliche Debatte anstößt, die in vielen westlichen Demokratien geführt wird.

Um ihre letzten Tage in Würde und Selbstbestimmung zu verbringen, zieht sich Martha mit ihrer Freundin und ehemaligen Kollegin Ingrid (Julianne Moore) in ein abgelegenes Haus inmitten der Natur zurück. Dort entwickelt sie einen detaillierten Plan für ihren Tod und legt genau fest, wie Ingrid sich zu verhalten soll, wenn der Moment gekommen ist. Doch das Leben hält sich nicht an Pläne, und so wird Marthas sorgfältig konstruiertes Regelwerk schon bald von Zufällen, spontanen Entscheidungen und der Unberechenbarkeit des Schicksals durchkreuzt.

Inspiriert wurde Pedro Almodóvar zu seinem Film durch den Roman „Was fehlt dir?“ von Sigrid Nunez, in dem die Autorin die Geschichte einer Frau erzählt, die ihren todkranken Freund in seinen letzten Tagen begleitet. Ähnlich wie in Nunez‘ Roman steht auch in „The Room Next Door“ die Frage nach der Hilflosigkeit und dem Trost im Angesicht des Todes im Vordergrund. Almodóvar gelingt es dabei, die Zärtlichkeit und die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen in all ihren Facetten einzufangen, ohne dabei die Härte und die Unwiderruflichkeit des Todes zu beschönigen.

Der Filmtitel selbst, „The Room Next Door“, kann als eine subtile Anspielung auf Virginia Woolfs berühmten Essay „A Room of One’s Own“ verstanden werden. Woolf plädierte in ihrem Essay für die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung von Frauen, die ihren eigenen Raum im Leben und in der Gesellschaft einfordern sollten. Doch was geschieht mit diesem Raum, wenn die Frau, die ihn bewohnt, nicht mehr da ist? Wer hat dann Zutritt zu diesem intimen Bereich, und wie geht man mit dem Vermächtnis einer Person um, die im Begriff ist, die Welt zu verlassen?

„The Room Next Door“ ist ein Film über die Endlichkeit des Lebens und die Macht der Freundschaft, der trotz seines ernsten Themas voller Wärme, Menschlichkeit und einer Prise schwarzen Humors steckt. Almodóvar gelingt es meisterhaft, die Schwere des Themas mit einer Leichtigkeit zu erzählen, die den Film zu einem ebenso berührenden wie auch lebensbejahenden Erlebnis macht. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet, ist „The Room Next Door“ ein Film, der unter die Haut geht und noch lange nach dem Abspann nachhallt.

Quellen:

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