19.10.2024
Beschleunigung gefordert Mehr Ladesäulen für die E-Mobilitätswende

Autoindustrie pocht auf schnelleren Ladesäulen-Ausbau für E-Autos

Osnabrück. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat die Politik erneut zum schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos aufgerufen. „Das Allerwichtigste, um die E-Mobilität hierzulande wieder in Schwung zu bringen, sind Ladesäulen, Ladesäulen, Ladesäulen und Netze, Netze, Netze! Wir stellen diese Forderungen, weil wir wollen, dass die E-Mobilität gelingt!“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Mangel an Ladepunkten in vielen Gemeinden

In gut einem Drittel aller Gemeinden gibt es noch keinen öffentlichen Ladepunkt. Knapp drei Viertel aller Gemeinden haben noch keinen Schnellladepunkt installiert. In vielen Gebieten müssen E-Autos nach vier Stunden von der Säule entfernt werden – auch nachts – sonst würden Blockade-Gebühren fällig. „Das ist doch aberwitzig“, sagte Müller.

Müller betonte, dass die E-Mobilität derzeit nur eine Nische sei. „Wenn die Infrastruktur nicht schneller und vorausschauend ausgebaut wird, droht Chaos, bevor die Zielmarke der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos auch nur annähernd erreicht sein wird“, so Müller. Schon jetzt halte sie es für schwer schaffbar, ausreichend Ladepunkte zu errichten, auch wegen der Stromnetze. Spediteure, die Schnellladesäulen für ihre Strom-Lkw haben wollten, bekämen von ihren Netzbetreibern gesagt: „Das schaffen wir in sechs oder acht Jahren!“

Probleme bei der Abrechnung und den Ladekosten

Die Intransparenz bei den Ladekosten bezeichnete die VDA-Präsidentin als „ein Dauer-Ärgernis“: „Das Bezahlsystem muss endlich vereinheitlicht und vereinfacht werden, sodass Nutzer an jedem Ladepunkt laden können.“ Was es zudem brauche, sei ein einheitliches System für die Abrechnung. „Und es muss ausreichen, einen einzelnen Stromvertrag für ein E-Auto abzuschließen, so wie es für eine Wohnung oder ein Haus auch funktioniert“, sagte Müller. „Da sind auch die Energieversorger gefragt, endlich nutzerfreundliche Lösungen anzubieten!“

Weltweiter Vergleich und europäische Herausforderungen

Deutschlands Autokonzerne fordern einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur, um den E-Auto-Absatz anzukurbeln. Der Nachholbedarf sei „in der ganzen Europäischen Union enorm“, sagt Hildegard Müller. In ganz Bulgarien gebe es weniger Ladepunkte als in der Region Hannover. Aber auch in Deutschland klaffen laut VDA weiterhin gewaltige Lücken: In mehr als drei Viertel aller Gemeinden gibt es keine Schnelllademöglichkeit, 39 Prozent bieten überhaupt keinen Ladepunkt. Gegenüber einer Erhebung vom Sommer 2023 ist das eine leichte, aus Sicht des Lobbyverbands aber unzureichende Verbesserung.

Deutschlandweit kommen auf einen Ladepunkt im Schnitt 21 E-Autos und Plug-in-Hybride – eine Stagnation. Zuletzt lag die Zahl der Ladepunkte in der Bundesrepublik bei rund 115.000. Um die von der Bundesregierung geplante Million im Jahr 2030 zu erreichen, müsste der Ausbau dreimal so schnell geschehen, so Müller.

Maßnahmen der Bundesregierung und Kritik

Die Bundesregierung will Tempo machen beim Ausbau von Ladestationen für E-Autos. Vor allem soll es mehr Schnellladepunkte geben, mit denen Pkw-Akkus innerhalb von 20 Minuten wieder voll sind. Kritiker sehen noch zu viele bürokratische Hürden.

Der vom Kabinett beschlossene „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ zählt insgesamt 68 Maßnahmen auf, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranbringen sollen. Aktuell gibt es laut Bundesnetzagentur etwa 70.000 E-Ladesäulen – bis zum Jahr 2030 sollen es eine Million sein. „Die Elektromobilität wird nur Akzeptanz finden, wenn das Laden so einfach ist wie heute das Tanken“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing.

Einige Maßnahmen dafür sollen sein:

- Schnellladepunkte, von denen es aktuell 11.000 in Deutschland gibt, sollen ausgebaut werden. In 20 Minuten soll der Akku „vollgetankt“ sein. - Digitalisierung: Autofahrer sollen schnell sehen können, ob eine Ladesäule frei ist und was der Strom kostet – ähnlich wie bei einer normalen Tankstelle. - Standorte: Autofahrer sollen nicht lange rumfahren und nach einem Ladepunkt suchen müssen. An Autobahnen und Rastplätzen soll es mehr Angebote geben. Auch für Unternehmen soll es einfacher werden, Ladestationen auf eigenen Betriebsgeländen zu errichten – bürokratische Hürden sollen abgebaut werden. - Selbstversorger: Wer sich selbst eine Wallbox angeschafft hat, um sein Auto zu laden, soll künftig selbsterzeugten Strom besser nutzen und ihn auch mit anderen teilen können. Besonders für Pkw-Fahrer im ländlichen Bereich, die eine Solaranlage auf dem Dach ihres Hauses installiert haben, soll diese Maßnahme attraktiv sein. - LKW: In Zukunft sollen mehr Elektro-Lastwagen über die Autobahnen rollen. Dafür ist ein Schnellladenetz entlang der Hauptverkehrsachsen geplant.

Reaktionen und Forderungen der Industrie

Zustimmung zu den Plänen gab es vom Verband der Automobilindustrie (VDA). In einer Pressemitteilung hieß es, die geplanten Maßnahmen seien sinnvoll und würden den Ladeinfrastrukturausbau spürbar beschleunigen.

Kerstin Andreae, Chefin des Energiebranchenverbandes BDEW, kritisierte jedoch, der Masterplan verpasse die Chance, gezielt die Bremsklötze zu beseitigen, die viel zu lange aufseiten der öffentlichen Hand einen schnelleren Ladesäulenausbau erschwerten. So sei mehr Tempo bei Genehmigungen nötig und deutlich weniger Bürokratie bei Förderprogrammen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe äußerte in der ARD-Tagesschau Bedenken wegen hoher bürokratischer Hürden. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch rief Verkehrsminister Volker Wissing dazu auf, auf „jahrelange Ausschreibungen und Bewerbungsvorgänge“ zu verzichten.

Laut Deutschlandfunk-Korrespondentin Nadine Lindner ist die Rolle der Automobilindustrie nicht klar definiert. Zwar sei die Branche als Akteur für die Umsetzung des Plans benannt, doch lasse das Papier konkrete Zahlen dazu vermissen.

Fazit

Die Forderungen der Autoindustrie nach einem schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur sind klar und deutlich. Es bedarf einer umfassenden und schnellen Umsetzung der geplanten Maßnahmen, um die Akzeptanz und Verbreitung von Elektroautos in Deutschland und Europa zu fördern. Die Politik steht in der Verantwortung, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und bürokratische Hürden abzubauen, um die gesteckten Ziele zu erreichen und den Weg für eine nachhaltige Mobilität zu ebnen.

Weitere
Artikel