Die Ermordung von Brian Thompson, CEO der Versicherungssparte von UnitedHealth, hat in den USA eine umfassende Diskussion über das Gesundheitssystem und die Geschäftspraktiken von Krankenversicherungen ausgelöst. Thompson wurde am Mittwochmorgen vor einem Hotel in Manhattan erschossen, wo er an einer Investorenkonferenz teilnehmen wollte. Der Täter ist noch flüchtig.
Wie die F.A.Z. berichtet, fanden sich auf den Patronenhülsen am Tatort die Worte „deny“ (ablehnen) und „defend“ (verteidigen). Diese Begriffe werden häufig in der Kritik an der Versicherungsbranche verwendet, wo Unternehmen vorgeworfen wird, Zahlungen an Kunden zu verzögern oder abzulehnen und diese Praktiken anschließend zu rechtfertigen. Der Slogan „delay, deny, defend“ ist sogar Titel eines Buches, das die Praktiken der Versicherungsbranche kritisch untersucht und die Behauptung aufstellt, Versicherungsunternehmen hätten einen Anreiz, ihre Kunden zu betrügen, um Gewinne zu maximieren.
Thompsons Ehefrau, Paulette Thompson, gab gegenüber NBC an, ihr Mann habe Drohungen erhalten, die möglicherweise im Zusammenhang mit Versicherungsleistungen standen. Sowohl die „New York Times“ als auch CNN berichten, dass die Ermittler die Inschriften auf den Patronenhülsen als möglichen Hinweis auf das Motiv des Täters prüfen. Abgesehen von den beschrifteten Hülsen gibt es jedoch bisher keine konkreten Anweisen darauf, dass die Tat in direktem Zusammenhang mit Kritik an der Versicherungsbranche steht.
UnitedHealth versichert über 50 Millionen Amerikaner. Der Konzern, wie auch andere große Krankenversicherer, stand kürzlich im Fokus eines kritischen Berichts eines Senatsausschusses. Dem Bericht zufolge verweigerten die Unternehmen Senioren die Kostenübernahme für Behandlungen nach Stürzen, Schlaganfällen oder anderen Erkrankungen. Die Ablehnungsquote von UnitedHealth habe sich zwischen 2020 und 2022 mehr als verdoppelt, so der Bericht. Darüber hinaus läuft gegen UnitedHealth eine Sammelklage, in der dem Unternehmen vorgeworfen wird, mithilfe Künstlicher Intelligenz älteren Menschen den Versicherungsschutz zu verweigern.
Der Mord an Thompson hat in den sozialen Medien eine Welle der Empörung über die Praktiken von Versicherungen ausgelöst. Zahlreiche Nutzer berichteten von eigenen Erfahrungen mit abgelehnten Versicherungsleistungen. Michael Tuffin, Chef des Versicherungsverbands AHIP, sah sich daraufhin gezwungen, die Branche auf LinkedIn zu verteidigen. Er betonte, die Unternehmen seien „missionsgetrieben“ und bestrebt, ihren Kunden erschwinglichen Versicherungsschutz zu bieten. Drohungen gegen Mitarbeiter seien inakzeptabel.
Die Polizei veröffentlichte neue Bilder des Verdächtigen, die ihn teilweise im Gesicht zeigen. Die Bilder stammen offenbar von der Überwachungskamera eines Hostels, in dem der Mann vor der Tat übernachtet haben soll. In der Nähe des Tatorts wurde ein Handy gefunden. Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, wurde eine Belohnung von 10.000 Dollar ausgesetzt.
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