26.10.2024
Debatte um NATO-Beitritt der Ukraine: Uneinigkeit zwischen Berlin und Washington

Führende Politiker der NATO diskutieren derzeit über einen möglichen Beitritt der Ukraine zur Allianz. Während Frankreich und Großbritannien einem solchen Schritt offen gegenüberstehen, zeigt sich Deutschland weiterhin zurückhaltend. Auch die Position der USA, bisher ebenfalls gegen einen schnellen Beitritt, scheint sich zu wandeln, wie die F.A.S. aus französischen, amerikanischen und ukrainischen Quellen erfuhr.

Diplomatischen Kreisen in Paris zufolge zeichnete sich die Uneinigkeit innerhalb der Allianz zuletzt beim Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin ab. Wie die F.A.S. erfuhr, könnte sich die amerikanische Position unter einer Präsidentschaft von Kamala Harris, der demokratischen Kandidatin für die Wahl im November, in Richtung einer raschen Einladung an die Ukraine verschieben. Macron dränge bereits seit Längerem auf einen solchen Schritt, während Scholz weiterhin ablehnend eingestellt sei.

Auch aus Washington ist zu vernehmen, dass die unterschiedlichen Haltungen innerhalb der „Quad“-Gruppe, bestehend aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich, beim Treffen am 18. Oktober deutlich wurden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor in den USA deutlich gemacht, dass er im Gegenzug für territoriale Zugeständnisse an Russland mehr als nur vage Sicherheitsgarantien erwarte, nämlich die Vollmitgliedschaft in der NATO. Diese Forderung ist auch zentraler Bestandteil seines kürzlich vorgestellten „Siegesplans“.

Nachdenken im Weißen Haus

In Washington heißt es, dass Biden, aber auch Macron und Starmer, sich in Berlin für die Idee eines NATO-Beitritts der Ukraine erwärmt hätten. Zwar sei Washington noch weit von einer Zustimmung entfernt, doch gebe es im Weißen Haus eine gewisse Offenheit gegenüber dem Gedanken. Bis vor Kurzem vertrat Biden noch die gleiche Position wie Scholz. Noch im Juni hatte er in einem Interview mit dem „Time Magazine“ betont, dass Frieden zwar bedeute, dass Russland die Ukraine „nie, nie, nie“ besetzen dürfe, dies aber nicht bedeute, dass das Land „Teil der NATO“ werden müsse. Biden ging sogar so weit zu sagen: „Ich bin nicht bereit, die Natoisierung der Ukraine zu unterstützen.“

Diese Aussage deckt sich zwar mit der Haltung des deutschen Kanzlers, doch gab es zwischen dem Kanzleramt und dem Weißen Haus schon immer gewisse Unterschiede. Während Biden offen ausspricht, dass er einen Sieg der Ukraine wolle, gibt sich Scholz zurückhaltender und spricht lediglich davon, eine Niederlage der Ukraine verhindern zu wollen.

Experten mit guten Kontakten zu den Regierungen in Kiew und Washington bestätigen die vorsichtige Öffnung in den USA. Benjamin Tallis, Direktor der Democratic Strategy Initiative und Autor mehrerer Publikationen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, berichtet, dass sowohl Begleiter Selenskyjs als auch Experten in Washington ihm nach dem letzten Besuch des ukrainischen Präsidenten in den USA gesagt hätten, dass es nun „Raum für eine Bewegung in Richtung auf eine NATO-Einladung für die Ukraine“ gebe. Sollten die USA diesen Schritt gehen, würden sie auch andere Länder drängen, sich anzuschließen.

Kiew: Ohne Garantien kein Kompromiss

Ein ukrainischer Gewährsmann bestätigte gegenüber der F.A.S., dass die Amerikaner verstanden hätten, dass ein Kompromiss zur Beendigung der Kämpfe nur mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine möglich sei, die das Land vor einem erneuten russischen Angriff schützen. Allerdings gebe es auch Einschränkungen. So werde in der amerikanischen Regierung darüber nachgedacht, „das Verständnis vom Begriff einer Einladung neu zu definieren“. Was derzeit in Amerika erwogen werde, müsse nicht einer „Einladung im üblichen Sinn“ entsprechen. „Die Wortwahl könnte verändert werden, so dass der Inhalt mehr eine politische Erklärung wäre als eine echte Einladung. Wir wissen noch nicht, wie das aussehen könnte.“ Und natürlich wären alle Überlegungen hinfällig, falls Donald Trump zum Präsidenten gewählt werden sollte.

Ukrainische Kenner der Materie weisen darauf hin, dass Bidens Einfluss mit jedem Tag, der seiner Amtszeit näher rückt, abnehme. „Amerikanische Diplomaten wissen, dass Bidens schwindendes politisches Kapital ein Problem ist“, heißt es. „Das macht es ihm schwer, Verbündete in Bewegung zu setzen, die mit einer Einladung an die Ukraine zögern.“ Deutschland sei hier der schwierigste Partner – noch schwieriger als Ungarn oder die Türkei.

Das Modell Deutschland

Doch nicht nur in Amerika, sondern offenbar auch in der Ukraine selbst sind die Dinge in Bewegung geraten. Präsident Selenskyj scheint erkannt zu haben, dass die westlichen Verbündeten seinem Land möglicherweise nicht genug Hilfe leisten werden, um alle seit 2014 von Russland v

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