Die Beziehungen zwischen Indien und Deutschland sind geprägt von einer zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung, gleichzeitig aber auch von unterschiedlichen Interessen und einem neuen Selbstbewusstsein auf indischer Seite. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 25.10.2024 berichtete, warb Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch in Neu-Delhi für einen schnellen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Indien. Diese Verhandlungen laufen bereits seit 2007 mit der Europäischen Union, doch die indische Regierung signalisiert deutlich, dass ein Abkommen nur zu ihren Bedingungen zustande kommen wird.
Scholz betonte die Bedeutung Indiens als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen, erwähnte Airbus, Siemens und deutsche Autobauer. Die F.A.Z. weist jedoch darauf hin, dass der Erfolg deutscher Unternehmen in Indien bisher begrenzt ist. Während Airbus vom boomenden indischen Luftfahrtmarkt profitiert, machen die Umsätze von Siemens in Indien nur einen kleinen Teil der Gesamtumsätze aus. Auch deutsche Autohersteller sind im indischen Markt, verglichen mit China, weniger präsent.
Ein Knackpunkt in den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen ist die Landwirtschaft. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte laut F.A.Z., dass die Verhandlungen an diesem Punkt stocken. Indien beschäftigt in der Landwirtschaft rund 60 Prozent seiner Bevölkerung und befürchtet negative Folgen einer Marktöffnung. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schätzt die Aussichten für ein umfassendes Abkommen als düster ein. Habeck und deutsche Wirtschaftsvertreter plädieren daher für ein reduziertes Abkommen, das sich auf Bereiche wie die Industrie konzentriert.
Indiens Handelsminister Piyush Goyal zeigte sich in Neu-Delhi selbstbewusst und betonte, dass Indien nicht aus einer Position der Schwäche verhandele. Er erwartet, dass Indien innerhalb der nächsten drei Jahre zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen wird, und unterstrich damit die gewachsene wirtschaftliche Stärke seines Landes. Goyal betonte, dass Indien auch gute Beziehungen zu den BRICS-Staaten pflege, was die Verhandlungsposition Indiens gegenüber Deutschland und der EU stärkt. Wie die F.A.Z. berichtet, war Goyals Botschaft klar: Deutschland ist stärker auf ein Freihandelsabkommen angewiesen als Indien.
Auch beim Thema Klimaschutz zeigte sich Indien selbstbewusst. Goyal verwies darauf, dass Indien nur einen geringen Anteil zu den globalen Klimaproblemen beigetragen habe. Ähnlich wie China baut Indien weiterhin Kohlekraftwerke, um den Energiebedarf seiner wachsenden Bevölkerung und Wirtschaft zu decken. Habeck äußerte sich zwar optimistisch über die Möglichkeiten, diese Kapazitäten flexibel abzuschalten und deutsche Technologie einzusetzen, doch dieses Thema spielte in den Äußerungen der indischen Seite eine untergeordnete Rolle.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung analysierte in einem Länderbericht vom 30. Mai 2023 die sicherheitspolitische Bedeutung Indiens und dessen Abhängigkeit von russischen Rüstungsgütern. Der Bericht beleuchtet die Herausforderungen, die sich aus den Sanktionen gegen Russland für die indische Rüstungsindustrie ergeben, und die Bemühungen Indiens, sich von dieser Abhängigkeit zu lösen. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) veröffentlichte im Januar 2024 ein Arbeitspapier, das Indiens zunehmend selbstbewusstes Auftreten auf der internationalen Bühne und die Chancen und Grenzen einer Kooperation mit Europa, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen zu China, untersucht.
Der Reservistenverband berichtete am 14.06.2024 über die verstärkten Bemühungen Deutschlands um eine engere Zusammenarbeit mit Indien, insbesondere im sicherheitspolitischen Bereich. Der Verband betont die Potenziale, aber auch die Risiken einer solchen Partnerschaft und die Notwendigkeit, deutsche Interessen im Indopazifik zu berücksichtigen. Auch die Stiftung für die Freiheit analysierte am 15.12.2022 das Deutschlandbild in verschiedenen Ländern, darunter Rumänien und die Ukraine. Die Beiträge zeigen ein differenziertes Bild, das von traditionellen Mustern bis hin zu einer differenzierten Betrachtung reicht.
Newstral fasste am 25.10.2024 die wichtigsten Punkte der Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und Indien zusammen und hob die selbstbewusste Haltung Indiens hervor. Die unterschiedlichen Perspektiven und Interessen beider Länder verdeutlichen die Komplexität der deutsch-indischen Beziehungen und die Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Quellen: