Die baden-württembergische Landesregierung plant, die Bürgerbeteiligung bei Windkraftprojekten zu digitalisieren, indem Einsprüche künftig nur noch digital eingereicht werden können. Wie die Zeit am 1. Dezember 2024 berichtete, soll eine Änderung des Landesplanungsgesetzes diese Umstellung ermöglichen. Landesentwicklungsministerin Nicole Razavi (CDU) begründet diesen Schritt mit dem Missbrauch der Bürgerbeteiligung zur Projektverhinderung. Als Beispiel nannte sie die Region Neckar-Alb, wo 440.000 größtenteils gleichlautende, von Bürgerinitiativen ausgedruckte Einsprüche gegen Windkraftvorhaben eingingen. Laut Razavi ging es dabei nicht um einen konstruktiven Austausch, sondern um die Blockade des Regionalverbands durch die schiere Menge der Einwendungen. Die Regionalverbände müssten vor solchen Taktiken geschützt werden, um die zügige Bearbeitung ernstgemeinter Einwände zu gewährleisten.
Konkret sollen Regionalverbände bei der Veröffentlichung von Raumordnungsplänen Online-Formulare für Einsprüche bereitstellen. Postalischer Einspruch wird dann nicht mehr möglich sein. Für Bürger ohne Internetzugang oder die die digitale Kommunikation ablehnen, soll es die Möglichkeit geben, Stellungnahmen direkt bei der zuständigen Behörde abzugeben. Landesbehörden, die Raumordnungsverfahren durchführen, werden zur Bereitstellung eines Online-Formulars verpflichtet. Die zwölf Regionalverbände in Baden-Württemberg begrüßen die Initiative der Landesregierung. Verbandsdirektor Matthias Proske betonte, dass Masseneinwendungen bei Planungsverfahren zur Ausweisung von Windkraft-Vorranggebieten in Baden-Württemberg weit verbreitet seien. Die Digitalisierung der analogen Einsprüche verursache einen erheblichen, von den Steuerzahlern getragenen Mehraufwand, so Proske.
Der SWR berichtete am 25. September 2024 über die Situation in der Region Neckar-Alb, wo Bürgerinitiativen fast 440.000 Einsprüche gegen Windenergiepläne eingereicht und damit die Planung verzögert hatten. Windkraftbefürworter und Regionalverbände forderten daraufhin eine Anpassung der Öffentlichkeitsbeteiligung, um ausgedruckte Masseneinsprüche zu vermeiden. Vertreter der Initiative Gegenwind Neckar-Alb sehen in der geplanten Gesetzesänderung eine Einschränkung der Bürgerrechte, während die Initiative Pro Windkraft Neckar-Alb die Digitalisierung der Einspruchsverfahren unterstützt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert das Vorgehen der Politik. Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch betont, dass bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen die Bürgerinteressen im Vordergrund stehen müssten. Die Verwaltung solle integrativ denken und Masseneinwendungen mutig bearbeiten. Inhaltlich gleiche Einwendungen müssten nicht einzeln behandelt werden. Der Bundesverband Windenergie erklärt, Bürgerbeteiligung sei wichtig für die Akzeptanz des Windenergieausbaus. Die Verfahren sollten schnell und umfassend digitalisiert werden, um zu verhindern, dass Initiativen gegen Windenergie die Verfahren durch Überlastung der Behörden verzögern.
Wie die Tagesschau am 29. September 2024 berichtete, nutzen Bürgerinitiativen die Masse an Einsprüchen, um ihren Protest gegen Windkraftprojekte auszudrücken. Die hohe Zahl der Einsprüche sei oft irreführend, da viele von denselben Personen stammten. Die Digitalisierung soll hier Abhilfe schaffen.
In Nordrhein-Westfalen trat bereits am 28. Dezember 2023 das Bürgerenergiegesetz (BürgEnG) in Kraft. Es verpflichtet Betreiber neuer Windenergieanlagen, Gemeinden und Anwohnern Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten. Wie auf windenergieausbau.nrw.de erläutert, zielt das Gesetz darauf ab, die Akzeptanz für Windenergieprojekte zu steigern. Es sieht verschiedene Beteiligungsmodelle vor, wie z.B. die direkte Beteiligung an der Gesellschaft, vergünstigte Stromtarife oder Direktzahlungen an Anwohner. Sollten sich Betreiber und Gemeinde nicht auf ein Beteiligungsmodell einigen, sieht das Gesetz eine Zahlung an die Gemeinde in Höhe von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde vor.
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