21.12.2024
Farbanalyse der Berliner Mauer: Wissenschaftliche Methoden im Einsatz

Die Farben der Berliner Mauer: Von Kunst, Protest und wissenschaftlicher Analyse

Die Westseite der Berliner Mauer, einst Sinnbild der deutschen Teilung, verwandelte sich im Laufe der Jahre in eine riesige Leinwand für Künstler. Dort entstanden zahlreiche Graffiti und Kunstwerke, die Protest, Hoffnung und den Wunsch nach Freiheit ausdrückten. Doch welche Farben prägten diese historischen Kunstwerke? Diese Frage ist nicht nur für die Kunstgeschichte relevant, sondern auch für die Erhaltung der verbliebenen Mauersegmente. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, haben sich Chemiker der Universität Messina dieser Frage angenommen und eine innovative Methode zur Farbanalyse entwickelt. Die Analyse der Farben gestaltet sich als komplex, da die Künstler, die in den 1980er Jahren die Westseite der Mauer bemalten, größtenteils anonym und unter Zeitdruck arbeiteten. Es existiert keine systematische Dokumentation der verwendeten Materialien. Zusätzlich haben Umwelteinflüsse wie Wind, Wetter, Abgase und Staub die Farben über Jahrzehnte hinweg angegriffen und verändert. Die etablierte Methode zur Pigmentanalyse, die Gaschromatographie in Kombination mit Massenspektrometrie, liefert zwar präzise Ergebnisse, ist jedoch destruktiv. Um die Farbzusammensetzung zu ermitteln, muss eine Probe entnommen und erhitzt werden. Die italienischen Wissenschaftler der Universität Messina haben, laut F.A.Z., eine zerstörungsfreie Alternative entwickelt und im "Journal of the American Chemical Society" publiziert: die Raman-Spektroskopie. Diese Methode analysiert die Streuung von Licht an den zu untersuchenden Substanzen. Ein tragbares Raman-Spektrometer ermöglicht die Identifizierung von Pigmenten, Bindemitteln und anderen Bestandteilen direkt vor Ort. Da mobile Spektrometer jedoch weniger präzise sind als Laborgeräte, verglichen die Forscher die Raman-Spektren von 15 Mauerfragmenten mit denen handelsüblicher Acrylfarben. Die Mauerfragmente wurden zuvor im Labor mit verschiedenen Verfahren untersucht. Die mikroskopische Untersuchung der Mauerproben ergab, dass die Künstler mit Pinseln arbeiteten und Titandioxid, ein weißes Pigment, als Grundierung verwendeten. Das in den Farbschichten gefundene Calcium deutet auf Calcit hin, welches entweder aus dem Zement der Mauer oder als Bindemittel in der Farbe stammt. Eine grüne Farbschicht entpuppte sich als Mischung aus Blau und Gelb. Das darin enthaltene Bleichromat, ein heute selten verwendetes, giftiges Gelbpigment, wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Vincent van Gogh für seine Sonnenblumenbilder eingesetzt. Bleichromat neigt allerdings dazu, unter Umwelteinfluss nachzudunkeln und bräunlich zu werden. Des Weiteren identifizierten die Wissenschaftler gängige organische Farbstoffe wie blaues und grünes Phthalocyanin sowie einen roten Azofarbstoff. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und den Labordaten trainierten die Forscher das Handspektrometer, um die Pigmente zu identifizieren und ihre Mengenverhältnisse zu bestimmen. Das Gerät kann nun auch andere Streetart-Werke analysieren, die nicht ins Labor transportiert werden können. Über die wissenschaftliche Analyse hinaus gibt es auch künstlerische Projekte, die sich mit der Berliner Mauer und ihrer Farbgestaltung beschäftigen. So warf die ungarische Künstlergruppe "Stellvertretende Durstende" im Jahr 1990 Farbeimer über die Mauer, um an die Öffnung des Eisernen Vorhangs in Ungarn zu erinnern. Diese Aktion wurde 2009 wiederholt, um das Kunstwerk originalgetreu zu restaurieren (Quelle: Stiftung Berliner Mauer). Auch Webseiten wie bauwerkcolour.com bieten Inspirationen für die farbliche Gestaltung von Mauern, wobei die Berliner Mauer als historisches Beispiel dient. Die Farben der Berliner Mauer sind somit nicht nur ein Zeugnis von Kunst und Protest, sondern auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Inspiration für neue künstlerische Projekte. Quellen: - Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/wissen/streetart-welche-farben-sind-auf-der-berliner-mauer-110179075.html - Stiftung Berliner Mauer: https://www.eastsidegalleryexhibition.com/artworks/stellvertretende-durstende-wir-haben-versucht-farben-ueber-die-mauer-hinuebergelangen-zu-lassen/ - Bauwerk Colour: https://www.bauwerkcolour.com/de-eu/article/garden-walls-inspiration
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