Der US-amerikanische Autor Tommy Orange, selbst beim Stamm der Cheyenne und Arapaho registriert, setzt sich in seinen Romanen intensiv mit der Unterdrückung und den anhaltenden Traumata der indigenen Bevölkerung in den USA auseinander. In "Verlorene Sterne" zeichnet er laut einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.) vom 5. Januar 2025 das Schicksal einer Cheyenne-Familie über sechs Generationen nach, vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart Oaklands. Gewalt in verschiedenen Formen – Mord, Vertreibung und kulturelle Umerziehung – prägt den Weg der Familie. Für diesen Roman wurde Orange, der bereits mit seinem Debütroman "Dort, dort" (2019) für den Pulitzer Prize nominiert war, als erster Autor indigener amerikanischer Herkunft für den Booker Prize nominiert. Der Roman beginne im Stil eines Westerns, entwickle sich dann aber zu einer scharfen Kritik an der US-amerikanischen Gesellschaft und fordere ein Eingeständnis der Schuld der USA am Massenmord an den indigenen Völkern, so die F.A.S.
Bereits in seinem Debütroman "Dort, dort", erschienen 2019, beschäftigt sich Orange, wie Deutschlandfunk Kultur am 24. August 2019 berichtete, mit dem Leben von zwölf Native Americans in Oakland, die sich auf den Weg zu einem traditionellen Powwow machen. Im Zentrum stehen die Suche nach Identität und die Auswirkungen von Gewalt und Rassismus. Deutschlandfunk Kultur zufolge möchte Orange mit seinem Werk gängige Klischees über Native Americans aufbrechen und die Geschichte seines Volkes in Erinnerung rufen.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) hob in einem Artikel vom 10. September 2019 Oranges Auseinandersetzung mit der Identitätsfrage im Kontext der Geschichte der indigenen Bevölkerung Amerikas hervor. Besonders die im 20. Jahrhundert in den USA betriebene Assimilationspolitik und deren Folgen für die indigene Bevölkerung werden von Orange literarisch verarbeitet.
Die taz bezeichnete "Dort, dort" in einem Artikel vom 12. September 2019 als ein besonders eindrückliches Werk der Native American Literature. Der Roman erzähle die Geschichten urbaner Indianer, die mit den Folgen der Entwurzelung und der Unterdrückung ihrer Geschichte konfrontiert sind. Die schonungslose Darstellung der Lebensrealität und der Verzicht auf Trost und Hoffnung werden von der taz hervorgehoben.
In einem Interview mit den Hanser Literaturverlagen erläuterte Orange seine Intention, die Vielfalt indigener Identitäten abzubilden und stereotype Vorstellungen über Native Americans zu dekonstruieren. Die Bedeutung des Romanschauplatzes Oakland und die Notwendigkeit, die Geschichte der indigenen Bevölkerung zu verstehen, um die Gegenwart zu begreifen, wurden von ihm betont.
In einem weiteren Artikel vom 7. November 2024 zur Veröffentlichung von Oranges zweitem Roman "Verlorene Sterne" beschreibt die taz die Geschichte von Orvil Red Feather, einem Cheyenne-Abkömmling, der nach einer Schießerei bei einem Powwow mit Sucht und Traumata kämpft. Der Roman greife auch historische Ereignisse wie das Sand-Creek-Massaker von 1864 auf und thematisiere die generationenübergreifenden Traumata der indigenen Bevölkerung.
SWR Kultur rezensierte "Verlorene Sterne" am 1. September 2024 und betonte die Verknüpfung der Schicksale zweier indigener Teenager über 150 Jahre Kolonialgeschichte hinweg. Der Roman sei eine Anklage gegen die bis heute nicht aufgearbeitete Gewalt und den Landraub. Orange erzähle die Geschichte von Orvil Red Feather weiter und gehe gleichzeitig auf die Geschichte seiner Vorfahren bis zum Sand-Creek-Massaker zurück.
Good Impact berichtete am 17. März 2021 über die weltweiten Erfolge indigener Völker im Kampf um ihre Rechte. Die Nominierung von Tommy Oranges "Dort, dort" für den Pulitzer Prize und die damit verbundene erhöhte Aufmerksamkeit für die Unterdrückung der Native Americans wurden unter anderem erwähnt.
Die Lakota-Stiftung empfiehlt auf ihrer Website neben Werken von Tommy Orange auch Bücher anderer indigener Autoren, die sich mit der Geschichte und Kultur der Native Americans auseinandersetzen.