Ein Blick in die Bücherregale von Literaturliebhabern offenbart ein faszinierendes Detail: Immer häufiger zieren farbige Kanten, sogenannte Farbschnitte, die Seiten der Bücher. Was früher auf limitierte Bildbände oder Lexika beschränkt war, hält nun Einzug in diverse Genres, von Romanen über Ratgeber bis hin zu Kochbüchern. Doch was steckt hinter diesem Trend? Ist der Farbschnitt eine Aufwertung des Leseerlebnisses oder die Degradierung des Buches zum reinen Dekorationsobjekt?
Tatsächlich erlebt der Farbschnitt derzeit ein regelrechtes Revival. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (F.A.S.) berichtet, sind die Gründe dafür vielfältig. Zum einen spielen soziale Medien eine immer wichtigere Rolle bei der Verbreitung von Büchern. Auffällige und ästhetisch ansprechende Ausgaben, die sich gut auf Fotos und Videos in Szene setzen lassen, generieren mehr Aufmerksamkeit und kurbeln so den Verkauf an.
Besonders beliebt sind Farbschnitte im Genre der Liebes- und Fantasyromane. Doch auch andere Genres ziehen nach. So erstrahlen beispielsweise die Seitenkanten von Yotam Ottolenghis Kochbuch „Simple“ in limitierter Auflage in einem leuchtenden Zitronengelb.
Doch der Farbschnitt ist nicht nur ein ästhetisches Element. Er ist auch mit einem enormen Aufwand in der Produktion verbunden, was sich letztendlich auf den Preis auswirkt. Trotz moderner Drucktechniken ist der Herstellungsprozess zeitaufwendig und kostspielig. Laut dem auf Fantasy- und Science-Fiction-Literatur spezialisierten Magazin „Tor Online“ erscheinen deshalb häufig nur die ersten Auflagen eines Buches mit Farbschnitt. Diese limitierten Ausgaben verkaufen sich aufgrund ihres Sammlerwertes in der Regel schnell. Nachfolgende Auflagen erscheinen dann oft ohne die aufwendigen Seitenkanten, um die Produktionskosten zu senken.
Die Geschichte des Farbschnitts reicht weit zurück. Bereits im Mittelalter wurden Bücher mit Goldschnitt verziert. Bis ins 16. Jahrhundert war es zudem üblich, die Buchtitel auf den Seitenschnitt zu drucken, um die Bücher mit der Vorderseite nach vorne im Regal präsentieren zu können. Die Wiederentdeckung des Farbschnitts könnte somit zu einem Comeback dieses traditionellen Elements führen und für einen neuen, aufregenden Look in den Bücherregalen sorgen.
Ob der Farbschnitt nun eine Aufwertung oder Abwertung des Buches darstellt, bleibt letztlich eine Frage der persönlichen Präferenz. Fest steht jedoch, dass er in unserer visuell geprägten Zeit einen Nerv trifft und das Buch als Objekt aufwertet. In einer Zeit, in der Retro-Trends Hochkonjunktur haben, reiht sich der Farbschnitt nahtlos in die Riege der Comebacks ein, von der Skinny Jeans bis hin zur Band Oasis.
Quellen:
- F.A.S. - Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: https://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/modeerscheinungen/der-farbschnitt-ist-zurueck-ist-das-die-degradierung-des-buches-110054472.html - Tor Online