16.10.2024
Geheime Gespräche und Überraschungskauf Die Causa Unicredit und Commerzbank

Die Ankündigung des Mailänder Finanzkonzerns Unicredit vom 11. September, der Bundesregierung Commerzbank-Aktien im Volumen von 4,5 Prozent abgekauft zu haben und damit neun Prozent an dem Frankfurter Geldhaus zu halten, sorgte für Überraschung. Insbesondere die Bundesregierung zeigte sich erstaunt, wie aus Regierungskreisen verlautete. Man habe die Aktien eigentlich breit streuen und nicht an einen einzigen Investor veräußern wollen. Auch habe es im Vorfeld keine Gespräche mit Unicredit gegeben, die auf ein Interesse an einem Kauf der Commerzbank hätten schließen lassen, so die Darstellung aus Regierungskreisen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) bewertete das Vorgehen als „unfreundliche Attacke“, „feindliche Übernahme“ und „nicht angemessenes Vorgehen“.

Doch wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, zeigen interne Dokumente, dass es sehr wohl Kontakte zwischen der Bundesregierung und Unicredit im Vorfeld des Aktienverkaufs gegeben hat. Demnach führten sowohl Finanzstaatssekretär Florian Toncar als auch Scholz‘ Wirtschaftsberater Jörg Kukies Gespräche mit Unicredit-Vertretern. Dies geht aus einem Schreiben Toncars an den CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer hervor, das der SZ vorliegt. Direkte Kontakte von Scholz oder Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit Unicredit sind nicht vermerkt.

Besonders brisant: Am Tag der Auktion, dem 10. September, telefonierte Toncar um 20.13 Uhr mit der Deutschland-Chefin von Unicredit, Marion Höllinger. In dem Telefonat sei es um Informationen über die „bestehende Beteiligung der Unicredit an der Commerzbank“ gegangen, heißt es in dem Schreiben. Nur Stunden später verkaufte der Bund das Aktienpaket an Unicredit – nach Darstellung der Regierung, weil der Konzern das höchste Angebot abgegeben hatte. Ob Toncar in dem Telefonat versuchte, den Verkauf zu stoppen, und warum er seinen Staatssekretärskollegen Kukies erst Stunden später über die Unicredit-Offensive informierte, ist unklar. Mittlerweile kontrolliert Unicredit über Finanzinstrumente weitere Commerzbank-Anteile und strebt eine Übernahme an.

Bereits am 4. September hatte Toncar mit Höllinger telefoniert. Damals soll die Unicredit-Managerin versucht haben zu eruieren, wie die Regierung den weiteren Privatisierungsprozess bei der Commerzbank plane. Der Staatssekretär soll sie jedoch an die Finanzagentur des Bundes verwiesen haben.

Staatssekretär Kukies, ehemaliger Investmentbanker und enger Vertrauter von Scholz, traf Mitte Mai am Rande einer Konferenz in Paris den Unicredit-Verwaltungsratspräsidenten Pier Carlo Padoan. Weitere Regierungskontakte zu Unicredit, allerdings zu volkswirtschaftlichen Themen, gab es mit Unicredit-Chefvolkswirt Erik Nielsen. Seine Gesprächspartner waren Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) und Außenamtsstaatssekretär Thomas Bagger. Kukies selbst nahm Ende Juni an einer Konferenz teil, bei der auch Unicredit-Chef Andrea Orcel anwesend war. Ein bilaterales Gespräch habe es aber nicht gegeben, heißt es in Toncars Schreiben.

Für den CDU-Finanzpolitiker Hauer zeigen die bekannt gewordenen Kontakte, dass es einen „regen Austausch“ zwischen Bundesregierung und Unicredit gegeben habe. „Dass die Bundesregierung die Commerzbank trotz jahrelanger Vorbereitungen des Verkaufs der Bundesanteile und im Wissen über ein Interesse der Unicredit leichtfertig einer möglichen feindlichen Übernahme ausgeliefert hat, wirft viele weitere Fragen auf und kein gutes Licht auf das Agieren der Bundesregierung“, erklärte Hauer gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Es müsse aufgeklärt werden, warum beim Verkauf der Aktien ein strategischer Investor zum Zug gekommen sei, obwohl man eine breite Streuung angestrebt habe. „Die Commerzbank“, so Hauer, „war mit ihrer Strategie bislang auf einem guten Weg – bis die Bundesregierung einen Verkaufsprozess gestartet hat, der ihr völlig entglitten ist.“

Die Vorgänge um den Verkauf der Commerzbank-Anteile werfen Fragen nach der Transparenz und Strategie der Bundesregierung bei der Privatisierung von Staatsbeteiligungen auf. Ob die Regierung tatsächlich von den Übernahmeplänen Unicredits überrascht wurde oder ob es im Vorfeld Absprachen gab, ist derzeit unklar. Die Opposition fordert Aufklärung und wirft der Regierung Dilettantismus vor.

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