27.10.2024
Georgiens Schicksalswahl Zerrissenes Land nach umstrittener Abstimmung

Wahl in Georgien: Der Georgische Traum wird zum Albtraum

Die Parlamentswahl in Georgien am 26. Oktober 2024 hat ein Land tief gespalten hinterlassen. Während die Regierungspartei "Georgischer Traum" den Sieg für sich beansprucht, erhebt die Opposition schwere Vorwürfe der Wahlmanipulation und erkennt das Ergebnis nicht an. Internationale Beobachter zeigen sich besorgt über zahlreiche Unregelmäßigkeiten während des Wahlprozesses.

Die Anspannung war im Vorfeld der Wahl deutlich spürbar. Das Land, das sich seit Jahren um eine Westbindung bemüht, steht vor einer Richtungsentscheidung. Die Regierungspartei "Georgischer Traum", unter der Führung des Milliardärs Bidsina Iwanischwili, verfolgt einen zunehmend prorussischen Kurs und hat in den letzten Jahren demokratische Standards ausgehöhlt. Die Opposition hingegen setzt sich für eine engere Anbindung an die Europäische Union und die NATO ein.

Erste Hochrechnungen und Nachwahlbefragungen lieferten widersprüchliche Ergebnisse, die beide Lager zum Anlass nahmen, den Sieg für sich zu reklamieren. Die Unsicherheit und das gegenseitige Misstrauen führten zu chaotischen Szenen vor den Wahllokalen. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Seiten, wie die "Tagesschau" berichtet. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili zeigte sich besorgt über die Gewalt und rief zur Ruhe auf.

Die Opposition wirft der Regierungspartei systematische Manipulationen vor, um den Machterhalt zu sichern. Internationale Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigten zahlreiche Unregelmäßigkeiten, darunter Einschüchterung von Wählern, Druck auf Wahlhelfer und Manipulationen bei der Stimmauszählung. "Der Urnengang sei durch 'Ungleichheiten (zwischen den Kandidaten), Druck und Spannungen' gestört worden", zitiert die "Zeit" die OSZE-Beobachter. Die Glaubwürdigkeit des offiziellen Ergebnisses sei daher stark beeinträchtigt.

Besonders die Einführung von Wahlcomputern, die in diesem Jahr erstmals zum Einsatz kamen, heizte die Manipulationsvorwürfe an. Videos, die in den sozialen Medien kursieren, sollen zeigen, wie Wähler mehrere Stimmzettel in die Geräte einwerfen. Auch Fotos aus Wahlkabinen, die mutmaßlich unter Zwang entstanden sind, um das Wahlverhalten zu dokumentieren, sorgen für Empörung. Ob die Vorwürfe der Manipulation bewiesen werden können, ist jedoch fraglich. Die Beweisführung dürfte sich schwierig gestalten, da die Regierungspartei ihre Kontrolle über die staatlichen Institutionen nutzt, um kritische Stimmen zu unterdrücken, so die Einschätzung von Experten.

Die angespannte Lage im Land wird durch die geopolitische Bedeutung Georgiens zusätzlich verschärft. Sowohl Russland als auch der Westen buhlen um Einfluss in der strategisch wichtigen Region im Südkaukasus. Die prorussische Regierungspartei steht im Verdacht, die Wahlen mit Unterstützung Moskaus manipuliert zu haben, um den Einfluss des Westens zurückzudrängen. Der Ausgang der Wahl könnte weitreichende Folgen für die geopolitische Ausrichtung Georgiens und die Sicherheitsarchitektur in der Region haben.

Die Europäische Union, die Georgien als Beitrittskandidaten führt, hat die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl scharf kritisiert und ein Ende der Gewalt gefordert. Ob die EU jedoch über Worte hinausgehen und konkrete Maßnahmen ergreifen wird, bleibt abzuwarten. Die Reaktionen aus Brüssel dürften maßgeblich davon abhängen, ob die Opposition in der Lage ist, ihre Vorwürfe zu belegen und die Bevölkerung für Proteste gegen die Regierung zu mobilisieren.

Die Zukunft Georgiens hängt nun davon ab, ob es gelingt, die Gräben zwischen Regierung und Opposition zu überwinden und einen Weg zurück zu einem konstruktiven Dialog zu finden. Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, den Druck auf die Regierungspartei zu erhöhen, die demokratischen Rechte zu respektieren und eine unabhängige Untersuchung der Wahlmanipulationsvorwürfe zuzulassen. Nur so kann verhindert werden, dass der "Georgische Traum" für das Land zu einem Albtraum wird, wie es Reinhard Veser in der "F.A.Z." beschreibt.

Quellen:

    - https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-georgien-der-traum-wird-zum-albtraum-110073364.html - https://www.journal21.ch/artikel/der-georgische-traum-wird-zum-albtraum - https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-parlamentswahl-regierungspartei-siegt-100.html - https://www.spiegel.de/ausland/georgien-spannungen-nach-verkuendetem-sieg-der-regierungspartei-a-89c84c1d-d1d3-4430-9563-83fa6f78d6d7 - https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/georgischer-traum-wird-zum-albtraum - https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/georgien-wahl-opposition-manipulation-proteste-100.html - https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-parlamentswahl-100.html - https://taz.de/Vor-Parlamentswahlen-in-Georgien/!6038959/
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