26.10.2024
GeorgiensZukunftentscheidetSichAnDerWahlurne

Die Anspannung war greifbar, als Georgien am vergangenen Samstag zu den Parlamentswahlen schritt. Die Regierungspartei „Georgischer Traum“, angeführt vom einflussreichen Oligarchen Bidsina Iwanischwili, sah sich einem breiten Bündnis von Oppositionsparteien gegenüber, die fest entschlossen schienen, den seit 2012 währenden Einfluss Iwanischwilis zu brechen.

Noch bevor die endgültigen Ergebnisse veröffentlicht wurden, feierte die Regierungspartei „Georgischer Traum“ ihren Wahlsieg. Laut den Zahlen, die Georgiens Zentrale Wahlkommission am späten Samstagabend veröffentlichte, konnte die Partei des reichsten Georgiers, Bidsina Iwanischwili, gut 53 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Diese Zahlen basierten allerdings nur auf etwa 72 Prozent der mehr als 3000 Wahllokale. Die vier Oppositionsblöcke, die sich zusammengeschlossen hatten, um Iwanischwili zu stoppen, kamen zusammen auf 38 Prozent der Stimmen, wobei sich die einzelnen Ergebnisse zwischen gut acht und gut elf Prozent bewegten.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) berichtet, scheiterten mehrere Parteien an der Fünfprozenthürde. Damit scheint der Versuch der Opposition, Iwanischwili, der die Politik Georgiens seit 2012 maßgeblich prägt, durch Wahlen zu entmachten, gescheitert.

Im Wahlkampf hatte der „Georgische Traum“ sich als Garant für Frieden präsentiert und behauptet, die Opposition würde das Land in einen Krieg mit Russland hineinziehen wollen. Diese Rhetorik erinnert stark an die Narrative des Kremls. Es überrascht daher wenig, dass die Glückwünsche aus Moskau nicht lange auf sich warten ließen. Margarita Simonjan, die Chefin des russischen Staatssenders RT, twitterte: „Die Georgier haben gesiegt. Prachtkerle!“.

Trotz des Wahlsieges scheint das Ziel des „Georgischen Traums“, eine Dreiviertelmehrheit der 150 Parlamentsmandate zu erreichen, in weite Ferne gerückt. Diese Zweidrittelmehrheit würde es der Partei ermöglichen, die Verfassung zu ändern und beispielsweise ein Verbot von Oppositionsparteien sowie Anti-LGBT-Regeln, die sie als „traditionelle Werte“ darstellt, durchzusetzen.

Die Unsicherheit über den endgültigen Wahlausgang wurde durch widersprüchliche Nachwahlbefragungen noch verstärkt. Während eine Befragung eines regierungsnahen Fernsehsenders dem „Georgischen Traum“ eine 56-Prozent-Mehrheit prophezeite, sahen zwei andere Nachwahlbefragungen die Opposition vorne.

Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili kritisierte die „uneuropäischen“ Siegeserklärungen des Regierungslagers, bevor die Wahlkommission ihre vorläufigen Ergebnisse veröffentlicht hatte, als „psychologischen Druck“. Später schrieb sie jedoch selbst auf X mit Bezug auf die widersprüchlichen Nachbefragungen, „das europäische Georgien“ habe trotz Fälschungsversuchen gesiegt. „Ich bin stolz und zuversichtlich für unsere europäische Zukunft!“, so Surabischwili.

Surabischwili, die 2018 mit Unterstützung der Regierungspartei ins Amt gewählt worden war, sich aber später von Iwanischwili distanzierte, hatte im Vorfeld der Wahl versucht, Brücken zwischen den Oppositionsparteien zu bauen. So unterzeichneten alle vier Oppositionsbündnisse, die nun laut Wahlkommission die Fünfprozenthürde überwunden haben, eine von Surabischwili im Sommer vorgelegte „Georgische Charta“. Diese sah vor, dass eine Expertenregierung innerhalb eines Jahres die Empfehlungen der EU umsetzen sollte, um den Weg für Beitrittsverhandlungen zu ebnen. Nach Ablauf dieses Jahres sollten dann Neuwahlen stattfinden.

Die Parlamentswahl in Georgien wurde von internationalen Beobachtern genau verfolgt. Es gab Berichte über Unregelmäßigkeiten und Druck auf Wähler. Insbesondere in der Kleinstadt Marneuli nahe der georgischen Grenzen zu Armenien und Aserbaidschan wurden Unregelmäßigkeiten gemeldet. Dort wurden Wahlzettel in eine Urne gestopft, woraufhin die Wahlkommission die Ergebnisse annullierte.

Die Wahlbeteiligung lag in diesem Jahr bei knapp 59 Prozent und damit deutlich höher als in den Jahren 2016 und 2020. Sie erreichte damit fast die Werte von 2012, als der „Georgische Traum“ gegen die damals regierende Vereinte Nationale Bewegung des damaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili angetreten war.

Der Ausgang der Wahl wird weitreichende Folgen für die geopolitische Ausrichtung Georgiens haben. Während die Regierungspartei enge Beziehungen zu Russland pflegt, strebt die Opposition eine stärkere Anbindung an die Europäische Union und die NATO an.

Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, wie sich die politische Lage in Georgien nach der Wahl entwickelt. Es bleibt abzuwarten, ob die Opposition den Wahlausgang anerkennt und ob es zu Protesten kommen wird.

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