21.12.2024
Hanna Kralls Elf Ein letztes Werk zwischen persönlichem Verlust und Weltgeschehen

Hanna Krall: Ein Porträt der Chronistin

Die renommierte polnische Journalistin und Schriftstellerin Hanna Krall, bekannt für ihre eindringlichen Berichte über den Holocaust und den polnischen Alltag, empfängt Besucher nach wie vor in ihrer Warschauer Wohnung in Ursynów, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet. Obwohl sich die Umgebung modernisiert hat und der Zugang zu ihrer Wohnung leichter geworden ist, bleibt die vertraute Atmosphäre in ihrer Küche, geprägt von starkem Tee und ihrem herzlichen Lächeln, unverändert. Ihr fortgeschrittenes Alter von fast neunzig Jahren macht sich vor allem in ihrem nachlassenden Gehör bemerkbar, auf das sie offen hinweist und um lauteres Sprechen bittet. Ungeachtet dessen ist sie weiterhin aktiv und widmet sich der Veröffentlichung ihres neuesten Buches "Elf", das sie selbst als ihr letztes und bedeutendstes Werk betrachtet.

"Elf" ist eine Sammlung von Fragmenten, die verschiedene Aspekte aus Kralls Leben und Schaffen beleuchten: den Holocaust, das Leben in Polen vor und nach dem Krieg, den Kommunismus, die politische Wende, aber auch aktuelle Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine, den 11. September und die Flüchtlingskrise an der polnisch-belarussischen Grenze. Die FAZ beschreibt das Buch als eine Herausforderung für den Leser, da Krall die Fragmente als Rätsel präsentiert, deren Lösung sie ihm selbst überlässt.

Ein einschneidendes persönliches Ereignis prägte Kralls Leben und Werk in den letzten Jahren: der Tod ihres Mannes, Jerzy Szperkowicz, im Februar 2022 an den Folgen von Covid-19. Wie sie selbst berichtet, war ihr erster Gedanke nach der Todesnachricht, die Zeit bis zu seiner Beerdigung zu überstehen. Nur vier Tage später begann der Krieg in der Ukraine, und ihre größte Sorge galt der Möglichkeit, dass der Krieg sie an der Teilnahme an der Beerdigung hindern könnte. Diese Verknüpfung von persönlichem Schicksal und weltpolitischen Ereignissen zieht sich laut FAZ durch "Elf". Für Hanna Krall entspricht die Anzahl der Tage seit Kriegsbeginn der Anzahl der Tage seit dem Tod ihres Mannes.

Nach der Beerdigung setzte sich Krall das Ziel, zwei Bücher zu veröffentlichen: das letzte Buch ihres Mannes und ihr eigenes Werk mit dem Titel "Wesentliche Details". Letzteres, eine Mischung aus Erinnerungen, Porträts von Freunden und Beobachtungen zur Gegenwart, erschien zuerst. Details waren für Krall schon immer von großer Bedeutung; sie bestimmen, welche Geschichten sie erzählt. Wie Perlentaucher berichtet, begann ihre journalistische Karriere bei "Zycie Warszawy", führte sie später zu "Polityka" und schließlich zur "Gazeta Wyborcza". Ihre Reportagen erregten Aufsehen und brachten ihr trotz Publikationsverboten in den 1980er Jahren Anerkennung.

Hanna Kralls Werk kreist immer wieder um die Themen Holocaust, das Schicksal der polnischen Juden und die Traumatisierung der Überlebenden. Schwäbische.de hebt die Genauigkeit und den lakonischen Stil ihrer Texte hervor. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, und "Dem Herrgott zuvorkommen" ist Teil des polnischen Schullehrplans. In ihren Werken stellt sie die Ambivalenz von Täter- und Opferrollen dar und vermeidet eine einfache Kategorisierung in gute und schlechte Nationen.

Kralls eigene Biografie ist eng mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Als Kind jüdischer Eltern in Warschau geboren und in Lublin aufgewachsen, überlebte sie den Holocaust versteckt in polnischen Familien. Ihr Vater und seine Schwestern wurden im KZ Majdanek ermordet, ihre Großmutter auf dem Weg dorthin. Ihre Mutter überlebte dank gefärbter Haare, die sie als Polin auswiesen. Diese Erfahrungen prägen ihr Werk, doch öffentlichen Fragen zu ihrer Biografie weicht sie laut Schwäbische.de aus.

Nach dem Krieg studierte Krall Publizistik und arbeitete als Korrespondentin in Moskau. In den 1970er Jahren war sie eine erfolgreiche Reporterin im kommunistischen Polen. Ihre frühen Reportagen sind in "Unschuldig für den Rest des Lebens" gesammelt. Die akribische Recherche, der Blick für Details und der zurückhaltende Umgang mit Emotionen zeichnen auch ihr literarisches Werk aus, für das sie mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für "Da ist kein Fluss mehr".

Quellen:

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