Die Restitution von Raubkunst ist ein komplexes Thema, das Fragen nach Gerechtigkeit, Identität und kulturellem Erbe aufwirft. Mati Diops Dokumentarfilm "Dahomey" begleitet die Rückführung von 26 Kulturgütern aus Frankreich nach Benin und beleuchtet diesen Prozess eindrücklich. Wie die F.A.Z. berichtet, gewann der Film im Februar 2024 den Goldenen Bären der Berlinale und erzählt die Geschichte der Rückgabe aus einer ungewöhnlichen Perspektive.
Im Zentrum des Films steht die Statue von König Ghézo, einem ehemaligen Herrscher des Königreichs Dahomey. Im Pariser Museum Quai Branly, wo die Statue lange Zeit ausgestellt war, wird sie als "Nummer 26" bezeichnet. Die sorgfältige Verpackung und der Transport der Statue in einer Holzkiste, die an einen Sarg erinnert, werden von Diop filmisch festgehalten. Diese Szenen wirken fast wie ein Ritual, das die Bedeutung der Rückführung unterstreicht.
Besonders eindringlich ist die fiktive Stimme von König Ghézo, die im Film aus dem Off zu hören ist. Der haitianische Schriftsteller Makenzy Orcel verfasste die Texte, die Ghézo in der Sprache Fon sprechen lässt, der Sprache des ehemaligen Königreichs Dahomey. Wie Jens Hinrichsen in Monopol Magazin schreibt, klagt der König über seine lange Gefangenschaft im Museum und seine Unsicherheit über die Rückkehr in eine veränderte Heimat. Durch die digital verfremdete Stimme entsteht ein unheimlicher, vielstimmiger Chor, der die Geschichte der geraubten Artefakte verkörpert.
Die Ankunft der Kulturgüter in Benin wird als großes Ereignis inszeniert. Die Bevölkerung feiert die Rückkehr der Artefakte, die zunächst im Präsidentenpalast ausgestellt werden. Doch wie die Augsburger Allgemeine berichtet, bleibt die erhoffte "Auferstehung" von König Ghézo aus. Die Statue wird in Benin, wie zuvor in Paris, mit Distanz betrachtet und analysiert. Sie ist fremd in ihrer neuen Umgebung.
Diop zeigt in ihrem Film auch eine Diskussion unter Studierenden der Université d’Abomey-Calavi. Die jungen Menschen sind gespalten in ihrer Meinung über die Restitution. Während einige die Rückgabe der Artefakte als wichtigen Schritt sehen, kritisieren andere, dass nur ein Bruchteil der geraubten Kulturgüter zurückgegeben wurde. Wie auf Wikipedia erläutert, handelt es sich bei den 26 Objekten um einen kleinen Teil von rund 7000 Kulturgütern, die aus dem ehemaligen Königreich Dahomey geraubt wurden. Die Diskussion im Film spiegelt die Komplexität der Raubkunstdebatte wider und zeigt, dass die Wunden des Kolonialismus bis heute nicht verheilt sind.
Mati Diop verzichtet in "Dahomey" weitgehend auf Erläuterungen und lässt die Bilder für sich sprechen. Der Film regt zum Nachdenken an und konfrontiert die Zuschauer mit der Frage nach der Bedeutung von kulturellem Erbe und der Verantwortung der ehemaligen Kolonialmächte. Wie Martin Schwickert im RND schreibt, macht der Film die kulturellen Narben des Kolonialismus sichtbar und zeigt, dass die Rückgabe von Raubkunst mehr als nur ein symbolischer Akt ist.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.): https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/film-dahomey-ueber-die-rueckgabe-von-raubkunst-nach-benin-110069686.html
- Monopol Magazin: https://www.monopol-magazin.de/dahomey-kinostart-die-rueckkehr-des-koenigs
- Augsburger Allgemeine: https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/filmkritik-zum-berlinale-sieger-dahoamy-103302830
- Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Dahomey_(Film)
- RND: https://www.rnd.de/kultur/berlinale-sieger-dahomey-im-kino-koenig-gezo-kehrt-zurueck-3IATVAXPGVFEJGKKB6XXUKAZ7M.html
- Südkurier: https://www.suedkurier.de/ueberregional/rundblick/filmkritik-zum-berlinale-sieger-dahoamy;art1373253,12214179
- epd Film: https://www.epd-film.de/filmkritiken/dahomey
- Zeitgeschichte Online: https://zeitgeschichte-online.de/film/dahomey-wenn-fiktion-zu-dokumentation-wird