19.10.2024
Modular-Synthesizer revolutionieren die elektronische Musikszene
Boom der Modular-Synthesizer: Künstlerinnen zaubern neuen Clubsound

Boom der Modular-Synthesizer: Künstlerinnen zaubern neuen Clubsound

Weltweit und auch in Deutschland bringen Künstlerinnen mit komplexer Synthesizer-Technik frischen Schwung auf die Dancefloors. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen und zieht immer mehr Menschen in ihren Bann.

Im Technoclub Now & Wow in Rotterdam steht DJ Krista Bourgeois vor einer Konsole, die an ein Raumschiff erinnert. Sie verbindet bunte Kabel, und die Bassdrum setzt ein. Das Licht flackert, und zweitausend Menschen bewegen sich im Takt der Musik. Ähnlich sieht man auf Plattformen wie Reddit junge Frauen, die mit ihren eigenen Konsolen experimentieren und ihre Dance-Moves zur Musik zeigen. Auf der Website des Berliner Clubs Berghain wird darauf hingewiesen, dass viele in den letzten Jahren der Faszination für Modular-Synthesizer erlegen sind. Diese anspruchsvollen Maschinen sind mittlerweile ein fester Bestandteil der elektronischen Musikszene.

Ein Beispiel für diesen Trend ist Arushi Jain, die als „The Modular Princess“ bekannt ist und bis Herbst durch die USA tourt. Sie benötigt neben ihrem Synthesizer, der mit zahlreichen Reglern und Knöpfen ausgestattet ist, etwa 40 kurze, bunte Kabel, um ihr Modularsystem zu betreiben. Dieses Instrument erfordert, dass alle Elemente, die den Klang erzeugen, immer wieder selbst verbunden werden, was zu einer nahezu unendlichen Vielfalt an Soundmöglichkeiten führt.

Die Musik von Jain, die in Brooklyn lebt und in Indien aufgewachsen ist, verbindet verträumte elektronische Klänge mit klassischen indischen Musiktraditionen. Der britische „Guardian“ zählte eines ihrer Alben zu den „zehn besten Global-Alben des Jahres“, und die DJ-Magazine zeigen großes Interesse an ihrer neuesten Platte „Delight“.

Ein Zentrum des Booms in Berlin

Der aktuelle Boom der Modular-Synthesizer hat seinen Ursprung in Berlin, wo viele talentierte Künstlerinnen wie Jessica Kert, Rachel Lyn und JakoJako aktiv sind. Diese Künstlerinnen haben sich in einer zuvor männlich dominierten Szene durchgesetzt und zeigen, was mit der komplexen Technik alles möglich ist. Die Geräte, die manchmal so groß wie Schrankwände sind, geben den Genres Ambient und Techno neuen Auftrieb.

Ein zentraler Ort für diese Szene ist „Schneiders Laden“ in Berlin, der vor 25 Jahren als Reparaturservice für alte Synthesizer begann. Andreas Schneider, der Gründer, ist heute ein führender Experte für Modularsysteme und zieht Künstler aus der ganzen Welt an, darunter Größen wie Jean-Michel Jarre und Richie Hawtin. Während viele Musikgeschäfte schließen, hat Schneider seine Präsenz mit drei Geschäften in Kreuzberg und Neukölln erweitert.

Die Auswirkungen der Pandemie

Die Entwicklung dieser Szene wurde durch die COVID-19-Pandemie beschleunigt. Jessica Kert, die sowohl auf internationalen Bühnen auftritt als auch bei Schneider arbeitet, erklärt: „Die Leute saßen zu Hause und hatten Zeit. Und Zeit braucht man, um ein Modularsystem zu verstehen.“ Diese Zeit führte zur Entstehung eines weltweiten Marktes, der von kleinen Herstellern und Ein-Mann-Unternehmen geprägt ist, die innovative Module und Effekte entwickeln.

Die Modularszene ist offen für Frauen, und viele Künstlerinnen berichten von einem unterstützenden Umfeld. Sibel Koçer, die unter dem Namen JakoJako auftritt, beschreibt ihre Erfahrungen: „Modulare Musik besteht für mich aus Synthesizer-Arpeggios, die wiederholt werden, oft mit klanglichen Elementen, die an Zupfinstrumente erinnern. Der Beat ist polyrhythmisch und tanzbar.“ Koçer hat sich einen Rahmen für 22 Module gebaut, der als Handgepäck im Flugzeug durchgeht, um ihre Musik weltweit zu präsentieren.

Klangliche Vielfalt und Kreativität

Die Klangvielfalt, die mit modularen Synthesizern erzeugt werden kann, ist ein wesentlicher Bestandteil der Faszination für diese Instrumente. Koçer beschreibt ihre neueste Single „Modus“, die mit komplexen Klanglandschaften und experimentellen Melodien spielt. Sie bezeichnet ihre Musik als „ein bisschen wie ein leerer Alien-Magen“, was die unvorhersehbare Natur der Klangerzeugung widerspiegelt.

Die Modularszene hat sich von einer traditionellen Männerdomäne zu einem kreativen Raum für Frauen entwickelt. Jessica Kert betont, dass sich die Szene in den letzten Jahren rasant entwickelt hat und dass die Verbindung zwischen den Künstlerinnen stark ist. „Wir unterstützen uns gegenseitig und teilen unser Wissen“, sagt sie. Diese Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass die Musik vielfältiger und innovativer geworden ist.

Die Zukunft der Modular-Synthesizer

Die Zukunft der Modular-Synthesizer sieht vielversprechend aus. Die Kombination aus technischer Komplexität und kreativer Freiheit zieht immer mehr Künstlerinnen an, die bereit sind, die Grenzen der elektronischen Musik zu erweitern. Die Modularszene wird weiterhin wachsen und sich entwickeln, während neue Talente und Ideen in den Vordergrund treten.

Insgesamt zeigt der Boom der Modular-Synthesizer, wie wichtig es ist, technologische Innovationen in die kreative Praxis zu integrieren. Künstlerinnen, die mit diesen Geräten arbeiten, beweisen, dass sie nicht nur die Technik beherrschen, sondern auch in der Lage sind, einzigartige und fesselnde Klänge zu erzeugen, die die Clubszene revolutionieren.

Die Modular-Synthesizer sind nicht nur ein Trend, sondern ein bedeutender Teil der zeitgenössischen Musiklandschaft, der das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir Musik erleben und produzieren, nachhaltig zu verändern.

Quellen: FAZ, Synthesizer Magazin.

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