Das Jahr 1867 markiert für Paris einen Wendepunkt: Der Tod des Salonmalers Ingres, die Eröffnung der Weltausstellung mit Rossinis Hymne und Krupps Kanone, die später auf die Stadt gerichtet sein sollte, sowie Baudelaires Tod – die Zeichen stehen auf Umbruch. Mitten in diesem Jahr, fast unbemerkt, erschafft Claude Monet drei Gemälde, die die Kunstgeschichte prägen werden.
Die Alte Nationalgalerie in Berlin präsentiert nun in einer beeindruckenden Ausstellung diese drei frühen Stadtansichten Monets, die er im Sommer 1867 von der Kolonnade des Louvre aus malte. Es ist das Jahr der Weltausstellung, ein Paris im Wandel, das sich dem Fortschritt verschreibt. Doch Monet interessiert sich nicht für die Baustellen des urbanen Fortschritts, die unter der Leitung von Baron Haussmann das Stadtbild radikal verändern. Ihn fasziniert das pulsierende Leben der Metropole, das er in seinen Bildern festhält.
Ein besonderes Highlight der Ausstellung ist die Wiedervereinigung der drei Gemälde „Saint-Germain-l’Auxerrois“, „Jardin de l’Infante“ und „Quai du Louvre“, die heute in den Sammlungen der Nationalgalerie Berlin, des Allen Memorial Art Museum in Oberlin und des Kunstmuseums Den Haag aufbewahrt werden. Gemeinsam bilden sie ein Triptychon des modernen Paris, eingefangen mit dem Blick eines jungen Künstlers, der sich von den Konventionen der akademischen Malerei abwendet.
Monets Gemälde zeigen nicht die akribische Wiedergabe der Realität, sondern Momentaufnahmen, eingefangen in flüchtigen Pinselstrichen. Die Farben lösen sich auf in Lichtreflexen, die Konturen verschwimmen. Der Betrachter wird eingeladen, in die Szenerie einzutauchen und die Atmosphäre des Moments zu spüren.
Besonders deutlich wird dies in der Ansicht von „Saint-Germain-l’Auxerrois“. Die gotische Kirche, eingebettet in das städtische Treiben, steht im Mittelpunkt des Gemäldes. Kutschen und Passanten beleben den Platz, während im Hintergrund die Silhouette von Paris erkennbar ist. Die für den Impressionismus typische lockere Pinselführung lässt die Formen verschwimmen und erzeugt eine fast schon fotografische Momentaufnahme.
Wie sehr Monet mit seinem Blickwinkel von der erhöhten Position der Louvre-Kolonnade den Stil seiner Zeitgenossen beeinflusste, zeigt die Ausstellung anhand weiterer Gemälde von Künstlern wie Renoir, Caillebotte oder Pissarro. Sie alle suchten nach neuen Perspektiven, um die Dynamik der Stadt einzufangen. So schrieb Camille Pissarro in einem Brief an seinen Sohn, dass er sich extra ein Atelier in einem höheren Stockwerk gemietet habe, um die Stadt von oben herab malen zu können.
Monet war fasziniert vom Spiel des Lichts und seiner Wirkung auf die Farben. In seinen Pariser Stadtansichten wird dies besonders deutlich. Die Sonne taucht die Straßen und Gebäude in warme Farben, während die Schatten tief und kühl wirken. Die Blätter der Bäume leuchten in sattem Grün, die Kleidung der Menschen ist in bunten Farben gehalten. Monet fängt die Atmosphäre eines sonnigen Sommertages in Paris ein und macht sie für den Betrachter greifbar.
Die Ausstellung „Monet und die impressionistische Stadt“ in der Alten Nationalgalerie ist nicht nur eine Hommage an einen der bedeutendsten Maler des Impressionismus, sondern auch ein faszinierendes Zeitdokument. Die Gemälde zeigen ein Paris im Wandel, eine Stadt, die sich von ihrer mittelalterlichen Vergangenheit löst und zur modernen Metropole entwickelt. Monet fängt diesen Wandel mit seinen Bildern ein und macht ihn für die Nachwelt erlebbar.
Die Ausstellung ist zugleich die Abschiedsausstellung von Ralph Gleis, der die Alte Nationalgalerie seit 2017 leitet und im Januar als Direktor an die Wiener Albertina wechselt. In seiner Zeit in Berlin hat er das Museum zu einem lebendigen Ort der Kunst gemacht und mit seinen Ausstellungen immer wieder neue Akzente gesetzt. Mit der Monet-Ausstellung verabschiedet er sich mit einem weiteren Höhepunkt seiner Karriere.
„Monet und die impressionistische Stadt“ ist noch bis zum 26. Januar 2025 in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen. Der begleitende Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag erschienen und kostet 28 Euro.
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