Moskau betrachtet die bevorstehende US-Wahl mit einer Mischung aus Pragmatismus und Skepsis. Die Euphorie von 2016, als man offen für Donald Trump warb und seinen Sieg mit Sekt feierte, wie die damalige Reaktion von Wladimir Schirinowskij verdeutlicht, ist verflogen. Wie Friedrich Schmidt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) analysiert, hat die Erfahrung gezeigt, dass Trump trotz seiner Avancen gegenüber Putin für den Kreml schwer kalkulierbar bleibt. Die erhofften politischen Erfolge, wie die Anerkennung der Krim-Annexion oder die Lockerung der Sanktionen, blieben aus. Stattdessen genehmigte Trump den Verkauf von Javelin-Raketen an die Ukraine, ein Schritt, den sein Vorgänger Obama noch abgelehnt hatte.
Auch wenn Trump wiederholt seinen Wunsch nach einem schnellen Ende des Ukraine-Krieges betont, bleiben seine konkreten Pläne vage. Viele Beobachter, darunter auch Shawn Donahue von der University at Buffalo, gehen davon aus, dass Trump die Ukraine zu einem Friedensabkommen drängen würde, das mit territorialen Verlusten für Kiew verbunden wäre. Ob Putin solche Bedingungen akzeptieren würde, ist ungewiss. Dominik Tolksdorf vom German Council on Foreign Relations weist darauf hin, dass Trump gleichzeitig von den Europäern einen stärkeren Beitrag zur Unterstützung der Ukraine und der NATO erwarten würde.
Kamala Harris hingegen hat ihre Unterstützung für die Ukraine klar zum Ausdruck gebracht. Sie hat versprochen, „so lange wie nötig“ an der Seite Kiews zu stehen und würde laut Donahue eher den Einsatz von US-Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland in Erwägung ziehen. Michaela Mattes von der University of California, Berkeley, erwartet, dass Harris die Ukraine weiterhin unterstützen und die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten wird. Sie könnte sogar eine härtere Gangart gegenüber Moskau einschlagen, um sich als starke Führungspersönlichkeit zu profilieren.
Für Putin ist die US-Wahl daher ein zweischneidiges Schwert. Trump könnte zwar zu einem schnellen Kriegsende drängen, aber zu welchem Preis für die Ukraine? Harris würde die Unterstützung Kiews fortsetzen, was den Konflikt verlängern könnte. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, lobt Putin mal Trump, mal Harris, was auf einen perfiden Gedanken hindeuten könnte: Er spielt die beiden Kandidaten gegeneinander aus und versucht, von der Polarisierung in den USA zu profitieren. Die Basler Zeitung (BAZ) zitiert Putin, der behauptet, er habe nie private Treffen mit Trump gehabt, und betont, dass er dessen Plan, den Ukraine-Konflikt zu beenden, allenfalls befürworte. Gleichzeitig verwirrt er seine Berater mit widersprüchlichen Aussagen zur US-Wahl.
Die russische Einmischung in den Wahlkampf ist dieses Jahr subtiler als 2016. Man setzt laut Foreign Policy auf Desinformation und die Verbreitung von Narrativen, die die amerikanische Gesellschaft spalten sollen. Ziel ist es, Misstrauen in das demokratische System zu säen und die USA von der Ukraine abzulenken. Ein unklarer Wahlausgang mit Chaos und Nachzählungen wäre für Putin der Idealfall.
Unabhängig vom Wahlausgang erwartet Russland keine grundlegende Änderung in den Beziehungen zu den USA. Sowohl Trump als auch Harris vertreten eine kritische Haltung gegenüber Moskau. Wie Sergei Rjabkow, der stellvertretende russische Außenminister, warnte, solle man sich angesichts des „überparteilichen antirussischen Konsenses“ in den USA auf eine lange Konfrontation vorbereiten.
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