Der Krieg in der Ukraine hat die sicherheitspolitische Landschaft Europas grundlegend verändert. In Deutschland wird die Notwendigkeit der Vorbereitung auf potenzielle Krisenszenarien, einschließlich eines möglichen Kriegsfalls, immer deutlicher. Die Bundeswehr spielt dabei eine zentrale Rolle, nicht nur in der militärischen Verteidigung, sondern auch in der Vorbereitung der deutschen Wirtschaft auf die Herausforderungen eines solchen Szenarios. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, schult die Bundeswehr seit Kurzem Unternehmen im Rahmen des „Operationsplan Deutschland“.
Dieses Strategiepapier, dessen Details unter Verschluss gehalten werden, umfasst laut F.A.Z. in seiner ersten Fassung bereits 1000 Seiten. Es beinhaltet unter anderem eine Auflistung kritischer Infrastrukturen, die im Verteidigungsfall besonders geschützt werden müssen, sowie detaillierte Planungen für das Vorgehen in Krisen- und Spannungsfällen. Deutschland könnte im Ernstfall zur logistischen Drehscheibe für Truppen, Material und Versorgungsgüter werden, was enorme Anforderungen an die Infrastruktur und die Wirtschaft stellen würde.
Die F.A.Z. berichtet von einer Veranstaltung der Handelskammer Hamburg, bei der Oberstleutnant Jörn Plischke, Chef des Landeskommandos Hamburg, konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen gab. So riet er Unternehmen beispielsweise, zusätzliche Lkw-Fahrer auszubilden, um den möglichen Ausfall von osteuropäischen Fahrern im Kriegsfall zu kompensieren. Weitere Empfehlungen umfassten die Entwicklung unternehmensspezifischer Krisenpläne, die Schulung der Mitarbeiter in Sicherheitsfragen und die Verbesserung der Autarkie durch Maßnahmen wie die Installation von Dieselgeneratoren oder Windrädern.
Um die Dringlichkeit der Situation zu verdeutlichen, verwies Oberstleutnant Plischke laut F.A.Z. auf zunehmende Bedrohungen wie Drohnenüberflüge, Ausspähversuche, Waffenlagerfunde und Cyberangriffe. Er warnte vor einer steigenden Gefahr durch Russland und betonte die Notwendigkeit, sich auf diese Entwicklungen vorzubereiten.
Die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und zivilen Organisationen wird ebenfalls hervorgehoben. Unternehmen mit Mitarbeitern im Heimatschutz, THW oder der Feuerwehr hätten im Krisenfall einen entscheidenden Vorteil, so Plischke. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, unterstützt laut F.A.Z. die Bemühungen der Bundeswehr und betont die Wichtigkeit einer widerstandsfähigen Wirtschaft für die zivile und militärische Verteidigung.
Auch die Politik zeigt sich laut Oberstleutnant Plischke offen für das Vorgehen der Bundeswehr. Der Hamburger Bürgermeister Tschentscher bekräftigte die erhöhte Gefahr von Cyberattacken und Sabotage im Falle einer militärischen Nutzung der Infrastruktur und verwies auf die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes.
Gemeinsame Übungen zwischen Bundeswehr und zivilen Kräften, wie die Übung „Red Storm Alpha“ zum Schutz von Hafenanlagen, sollen die Zusammenarbeit verbessern und die Erkenntnisse in den „Operationsplan Deutschland“ einfließen lassen. Dieser Plan wird als „living document“ betrachtet und kontinuierlich an die aktuelle Lage angepasst.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ermöglichen im Krisenfall weitreichende Eingriffe in die Wirtschaft, wie die Erfahrungen aus der Gasversorgungskrise gezeigt haben. Auch für die Sicherung der Lebensmittelversorgung und die Arbeitsverpflichtung in kritischen Bereichen existieren bereits Regelungen. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, weist darauf hin, dass diese Regelungen im Ernstfall sogar eine Umstellung auf Planwirtschaft ermöglichen könnten.
Die Vorbereitung auf einen möglichen Kriegsfall ist eine komplexe Aufgabe, die die Zusammenarbeit von Bundeswehr, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erfordert. Der „Operationsplan Deutschland“ stellt dabei ein wichtiges Instrument dar, um die Widerstandsfähigkeit Deutschlands in Krisenzeiten zu stärken.
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