19.10.2024
Belarus vor der Wahl: Zwischen Angst und Autoritarismus
In Belarus stehen am Sonntag Parlamentswahlen an, die bereits im Vorfeld für internationale Aufmerksamkeit sorgen. Die im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja bezeichnet die bevorstehende Wahl als eine Farce und kritisiert die herrschenden Bedingungen als demokratiefeindlich. Bei einem Treffen mit diplomatischen Vertretern von Mitgliedsländern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien äußerte sie ihre Bedenken. Die Wahl finde in einer Atmosphäre von Angst und Unfreiheit statt, so Tichanowskaja. Sie dient nach ihrer Ansicht einzig dazu, die Macht des langjährigen Machthabers Alexander Lukaschenko zu bestätigen. Politische Gegner seien entweder im Gefängnis gelandet oder ins Ausland geflohen. Die Situation in Belarus sei von Repressionen gegen Oppositionelle und Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit geprägt. Tichanowskaja selbst lebt im Exil, nachdem ihr Ehemann, der ebenfalls politisch aktiv war, zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Regierung in Minsk hat für die Abstimmung keine internationalen Wahlbeobachter eingeladen. Dies ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Wahlbedingungen von Unregelmäßigkeiten und möglichen Manipulationen überschattet werden könnten. Lukaschenko beherrscht das Land bereits seit 1994 und steht international wegen seines autoritären Regierungsstils in der Kritik. Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2020, bei der Lukaschenko sich zum sechsten Mal zum Sieger erklären ließ, kam es in Belarus zu massiven Protesten gegen das Regime, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Tichanowskaja fordert entschiedenere internationale Reaktionen auf die Unterdrückung der Opposition und erwähnt in diesem Zusammenhang auch den Tod des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny. Sie betont, dass Diktatoren ausloten würden, wie weit sie ohne Konsequenzen gehen können. Die aktuelle politische Lage in Belarus stellt somit nicht nur eine innenpolitische Herausforderung dar, sondern hat auch eine internationale Dimension, die Fragen nach der Einhaltung demokratischer Prinzipien und Menschenrechte aufwirft. Das OSZE-Büro für Menschenrechte und Wahlbeobachtung (ODIHR) hat darauf hingewiesen, dass seit 2020 zahlreiche Aktivisten und Journalisten in Haft genommen wurden und Hunderte zivilgesellschaftliche Organisationen auf Anordnung der Behörden oder nach Razzien stillgelegt worden sind. Tausende Menschen seien aus politischen Gründen aus Belarus geflohen. Die anstehende Parlamentswahl wird somit von vielen als Test für die Unabhängigkeit und Integrität des politischen Systems in Belarus gesehen. Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der OSZE, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, beobachtet die Entwicklungen in Belarus mit Sorge. Es bleibt abzuwarten, wie die Wahl am Sonntag verlaufen wird und welche Auswirkungen das Ergebnis auf die politische Zukunft des Landes haben wird.
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