19.10.2024
Polens Wendepunkt: Reformplan zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit
Im Zuge des seit Jahren schwelenden Justizstreits hat die neue polnische Regierung einen detaillierten Reformplan zur Beseitigung rechtsstaatlicher Defizite vorgelegt. Dieser Schritt markiert einen entscheidenden Wendepunkt in den angespannten Beziehungen zwischen Polen und der Europäischen Union. Der polnische Justizminister Adam Bodnar präsentierte den Plan am Dienstag bei einem Ministertreffen in Brüssel. Das Konzept zielt darauf ab, das 2017 eingeleitete Verfahren zu beenden, das Polen aufgrund mutmaßlicher Verletzungen von EU-Werten in die Kritik brachte. Im schlimmsten Fall hätte dieses Verfahren zu einem Entzug der Stimmrechte Polens im EU-Ministerrat führen können. Die bisherige nationalkonservative Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte weitreichende Justizreformen durchgeführt, die nach Ansicht der EU die Unabhängigkeit der polnischen Richterschaft gefährdeten. Besonders umstritten war ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das feststellte, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Kritiker sahen darin einen Versuch, Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu umgehen, die der polnischen Regierung nicht genehm waren. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk, der bereits früher dieses Amt innehatte und als pro-europäisch gilt, hat sich nun zum Ziel gesetzt, die als problematisch betrachteten Reformen zurückzunehmen. Die vorgelegten Reformpläne sollen dabei helfen, die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen und die rechtsstaatlichen Prinzipien zu stärken. Die EU-Kommission, die für die Überprüfung der Reformen zuständig ist, zeigte sich vorsichtig optimistisch. Vizepräsidentin Vera Jourova betonte jedoch, dass Polen noch viel Arbeit bevorstehe, da die Liste der Defizite umfassend sei. EU-Justizkommissar Didier Reynders sprach von einem "echten Wandel" und hob hervor, dass die neue polnische Regierung bereits der Europäischen Staatsanwaltschaft beigetreten ist und Pläne vorgelegt hat, um die Unabhängigkeit der Richter zu gewährleisten. Die deutschen Europastaatsministerin Anna Lührmann äußerte sich positiv über die Initiative Polens und betonte, dass die polnische Regierung ein starkes Interesse zeige, die bestehenden Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit schnell zu beseitigen. Sie drückte die Hoffnung aus, dass die notwendigen Schritte zügig unternommen werden, einschließlich der Vorlage neuer Gesetze und der Ernennung unabhängiger Richter. Die Freigabe von derzeit blockierten EU-Geldern in Milliardenhöhe könnte eine weitere Konsequenz der Reformen sein, was für Polen wirtschaftlich von großer Bedeutung wäre. Wann das Artikel-7-Verfahren gegen Polen konkret beendet werden könnte, blieb zunächst offen. Kommissionsvizepräsidentin Jourova äußerte die Hoffnung, dass dies noch während ihrer Amtszeit, die im Oktober endet, gelingen möge. Die Entwicklungen werden von Beobachtern als bedeutender Schritt in Richtung einer Stärkung des Rechtsstaats und der demokratischen Prinzipien in Polen gewertet. Darüber hinaus könnte der vorgelegte Reformplan dazu beitragen, das Vertrauen zwischen Polen und den anderen EU-Mitgliedstaaten wiederherzustellen und die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft zu stärken.
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