Die Ozeane, einst Sinnbild für Freiheit und Globalisierung, werden zunehmend zum Schauplatz geopolitischer Spannungen. Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Schifffahrt, sondern auch den Welthandel, wie Arsenio Dominguez, Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), warnt.
Besonders die russische „Schattenflotte“, bestehend aus Tankern, die trotz westlicher Sanktionen russisches Öl transportieren, bereitet Experten große Sorgen. Wie die "Financial Times" berichtet, hat Russland ein komplexes Netzwerk aus Untergesellschaften und Briefkastenfirmen geschaffen, um die Herkunft der Schiffe zu verschleiern und Sanktionen zu umgehen.
Demnach soll die russische Lukoil, einer der größten Ölkonzerne des Landes, maßgeblich am Aufbau dieser Schattenflotte beteiligt sein. Über ein verschachteltes Firmengeflecht, das bis in die Vereinigten Arabischen Emirate und auf die Marshall-Inseln reicht, wurden zahlreiche Tanker, oft älterer Bauart, erworben und unter der Flagge von Ländern wie den Cook-Inseln auf die Reise geschickt.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert Dominguez mit den Worten, die Schattenflotte sei "ein großes Problem". Die Schiffe seien oft schlecht gewartet und stellten ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Im Falle eines Unfalls, so Dominguez, drohe eine Umweltkatastrophe, die die Küstenstaaten vor enorme Herausforderungen stellen würde.
Die Gefahr, die von der Schattenflotte ausgeht, ist real. Bereits im Mai 2023 erlitt der unter der Flagge der Cook-Inseln fahrende Tanker "Canis Power", der mutmaßlich russisches Öl geladen hatte, vor der dänischen Küste einen Maschinenschaden und drohte zu sinken.
Die Bundesregierung zeigt sich besorgt über die Entwicklung und arbeitet nach eigenen Angaben eng mit den Partnerländern im Ostseeraum und der Ölpreisdeckelkoalition zusammen, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Wie aus einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, setzt sich Deutschland auch auf Ebene der IMO für schärfere Kontrollen und eine Fortentwicklung des EU-Sanktionsrechts ein.
Neben den Sicherheitsrisiken wirft die Schattenflotte auch die Frage nach der Effektivität der westlichen Sanktionen auf. Offenbar gelingt es Russland trotz der Sanktionen, weiterhin erhebliche Mengen an Öl zu exportieren und damit die eigene Kriegskasse zu füllen.
Experten fordern daher ein konsequenteres Vorgehen gegen die Schattenflotte. Neben der Sanktionierung weiterer Schiffe und Reedereien müssten auch die Kontrollmechanismen verschärft und die Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft intensiviert werden. Nur so könne verhindert werden, dass die Weltmeere zu einem rechtsfreien Raum für illegale Geschäfte werden.
Quellen:
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russlands-schattenflotte-ist-ein-grosses-problem-un-schifffahrtsorganisation-warnt-110041438.html - Financial Times: https://www.ft.com/ (hinter Bezahlschranke) - Deutscher Bundestag: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1011652