19.10.2024
Alarmierende Luftqualität in deutschen Klassenzimmern weiterhin kritisch
In Ludwigsburg haben der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg e. V. (BLV) und der Fachverband Gebäude-Klima e. V. (FGK) erneut Alarm geschlagen: Die Luftqualität in vielen Schul- und Unterrichtsräumen ist weiterhin besorgniserregend schlecht. Dies ist das Ergebnis zahlreicher Untersuchungen, die eine deutliche Überschreitung der empfohlenen Grenzwerte für Kohlendioxid (CO2) in den meisten Klassenzimmern belegen. "In zahlreichen Untersuchungen konnte dargelegt werden, dass die Luftqualität in den meisten Klassenzimmern sehr zu wünschen übrig lässt; in vielen Fällen ist sie schlicht katastrophal", beschreibt FGK-Geschäftsführer Frank Ernst die Situation. Thomas Waldhecker, der beim BLV für Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständig ist, bestätigt: "Die Raumluftqualität in Klassenzimmern ist der Lern- und Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler alles andere als zuträglich." Die Bewertung der Raumluftqualität in Klassenzimmern erfolgt anhand der CO2-Konzentration. Laut der Arbeitsstättenregel "Lüftung" A 3.6 und den Empfehlungen des Umweltbundesamtes (UBA) gilt ein Wert bis zu 1.000 ppm (parts per million) als "hygienisch unbedenklich". Werte zwischen 1.000 und 2.000 ppm sind "hygienisch auffällig", und Werte über 2.000 ppm gelten als "hygienisch inakzeptabel". Erschreckenderweise wird dieser letzte Wert in vielen Unterrichtsräumen erreicht, so Ernst weiter. In einem typischen Klassenraum mit einer Fläche von 8 x 8 Metern und einer Raumhöhe von 3 Metern, in dem sich 30 Schülerinnen und Schüler aufhalten, steigt die CO2-Konzentration bei geschlossenen Fenstern bereits nach 25 Minuten auf etwa 1.500 ppm an. Dies führt zu einer deutlichen Abnahme der Konzentrationsfähigkeit und des Leistungsvermögens der Schülerinnen und Schüler. Eine dauerhafte Fensterlüftung während des Unterrichts ist laut Experten problematisch, da sie Lärm, Schmutz und Pollen in den Raum bringt. Zudem wird im Winter die teure Warmluft einfach "zum Fenster hinausgeblasen". Vor diesem Hintergrund empfiehlt Lehrervertreter Waldhecker generell eine ventilatorgestützte Lüftung für Unterrichtsräume. Diese gewährleistet, dass der empfohlene Grenzwert von 1.000 ppm CO2 dauerhaft eingehalten wird und sich die Raumluftqualität deutlich verbessert. "Dadurch steigen die Lernerfolge", weiß Waldhecker aus Erfahrung. Eine Studie aus Dänemark zeigte, dass Lese- und Rechenaufgaben in deutlich kürzerer Zeit gelöst werden und eine Verdopplung der Lüftungsrate die Leistungsfähigkeit um 8 bis 14 Prozent steigert. Ist die Lüftungsanlage mit Bedarfsregelung und Wärmerückgewinnung ausgestattet, wird zudem wertvolle Heizenergie eingespart. Ein weiterer Vorteil: Das Zusammenspiel von Nachtauskühlung und mechanischer Lüftung wirkt im Sommer zu hohen Temperaturen in den Klassenräumen entgegen. Die Problematik schlechter Luftqualität in Klassenzimmern ist kein isoliertes Phänomen in Deutschland. Auch in der Schweiz hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einer Studie festgestellt, dass in zwei Dritteln der untersuchten Schulzimmer die Luftqualität ungenügend ist. Die Folgen sind Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Müdigkeit und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen. Die Schüler und Lehrer atmen demnach viel schlechte Luft. Dies liegt hauptsächlich an den dicht belegten Schulzimmern, in denen durch Atmung, Schwitzen und Pflegeprodukte die Luft belastet wird. Sauerstoff ist zwar ausreichend vorhanden, aber der Mensch gibt durch Atmung und Transpiration über 3000 Substanzen an die Umwelt ab. Auch in der Schweiz zeigte sich, dass die Luftqualität in Schulzimmern bei geschlossenen Fenstern im Laufe einer Lektion rasch abnimmt. Eine Lüftung während der Pausen verbessert die Situation nur bedingt. Die BAG-Studie empfiehlt daher einige grundlegende Lüftungsregeln: - Vor den ersten Lektionen am Morgen und Nachmittag ausgiebig lüften. - Im weiteren Tagesverlauf die Pausen vollständig zum Lüften nutzen. - Beim Lüften immer alle Fenster vollständig öffnen. - Die Schulzimmertür beim Lüften grundsätzlich schließen. Die Untersuchung ergab, dass bei guter Raumluftqualität die intellektuelle Leistungsfähigkeit der Schüler steigt. Gute Luft verkürzt die Reaktionszeit für richtige Antworten und verbessert die Leistungen in Addition, Zahlenvergleichen und Grammatik sowie im Lesen und Verstehen. Bereits bei leicht erhöhten CO2-Pegeln lassen sich geringfügige Auswirkungen auf die intellektuelle Leistung feststellen. Ein gutes Lüftungsverhalten kann die Symptome wie Atemnot, Husten und Hautreizungen um mehr als 20 Prozent – in manchen Fällen sogar um das Siebenfache – verbessern. In Deutschland bestätigt eine Studie des Fraunhofer Instituts für Bauphysik, dass die CO2-Konzentration in vielen Klassenräumen deutlich zu hoch ist. Spitzenwerte können einen guten Wert um das Sechsfache überschreiten. Auch der Feinstaubgehalt in Unterrichtsräumen ist oft problematisch. Untersuchungen in Berliner Schulen zeigten, dass die Feinstaubbelastung häufig den Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter überschreitet. Die Feinstaubpartikel werden vor allem durch die Schüler und Lehrkräfte eingebracht. Eine dauerhaft zu hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt die Bildung von Schimmel, was ebenfalls negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Trockene Luft hingegen kann zu Schluckbeschwerden, Heiserkeit und einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führen. Schadstoffe in der Raumluft, wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), stellen den schlimmsten Fall dar, da einfaches Lüften hier wenig hilft. Eine gute Be- und Entlüftungsanlage ist die beste Lösung für das Problem mit der dicken Luft – allerdings auch die teuerste. Bei Neubauten und energetischen Sanierungen sollte eine solche Anlage ein Muss sein, um die geplanten Einsparungen an Heizenergie zu realisieren und die Raumluftqualität zu verbessern. Der Einsatz von CO2-Messgeräten kann dabei helfen, die Luftqualität im Blick zu behalten. Diese Geräte zeigen mit farbigen LED-Lämpchen oder akustischen Signalen an, wenn die Werte im gelben oder roten Bereich sind. Dies signalisiert, dass die Fenster geöffnet werden müssen. Die Diskussion um die Luftqualität in Klassenzimmern ist ein wichtiger Aspekt der Schulhygiene und des Gesundheitsschutzes. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler zu verbessern und damit auch langfristig die Bildungserfolge zu sichern.
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