Knapp drei Monate nach dem tödlichen Angriff auf dem Solinger Stadtfest, bei dem ein abgelehnter Asylbewerber drei Menschenleben auslöschte und acht weitere Personen verletzte, liegt eine bedrückende Atmosphäre über der Stadt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet von einer Stimmung, die nicht nur von Trauer, sondern auch von tiefem Misstrauen und einer beinahe gespenstischen Stille geprägt ist. Janine Werner, eine Augenzeugin des Angriffs, schildert der F.A.S. ihre traumatischen Erlebnisse und die anhaltenden gesundheitlichen Folgen, darunter Rücken- und Nervenschmerzen, Schlafstörungen und die ständige Angst um ihre Tochter.
Der Anschlag hat die Stadt im Bergischen Land schwer getroffen und die Asyldebatte in Deutschland neu entfacht. „Nach Solingen“ wurde laut F.A.S. zum Sinnbild für Forderungen nach einer verschärften Sicherheitspolitik. Politiker verschiedener Parteien sprechen sich seitdem für verstärkte Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen und eine restriktivere Zuwanderungspolitik aus. Ein Untersuchungsausschuss soll die Fehler der Behörden im Vorfeld der Tat aufklären.
Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) appellierte direkt nach dem Angriff, die politische Auseinandersetzung nicht auf Kosten der Stadt auszutragen. Solingen, eine Stadt mit 165.000 Einwohnern und über 130 Nationalitäten, benötige Ruhe, so Kurzbach. Doch die nun herrschende Ruhe wirkt auf viele verstörend. Die F.A.S. zitiert einen Kioskbesitzer mit Migrationshintergrund, der die gesellschaftliche Situation als „Katastrophe“ bezeichnet und von einem Vorfall berichtet, bei dem ihm eine ältere Passantin mit Misstrauen begegnete. Auch Janine Werner beobachtet eine wachsende Spaltung innerhalb der Stadtgesellschaft.
Besonders tragisch ist der Anschlag für Solingen, da die Stadt eng mit der Messerproduktion verbunden ist. Karl Peter Born, Inhaber der Messermanufaktur Güde, erläutert gegenüber der F.A.S. die historische Bedeutung der Messerherstellung für die Stadt. Die Lage an der Wupper, die umliegenden Wälder und die damit verbundene Möglichkeit, Wasserräder zu nutzen, hätten die Entwicklung der Klingenstadt gefördert. Der Name „Solingen“ sei eine eingetragene Marke und stehe für Qualitätsmesser aus der Region. Dem Image der Klingenstadt und dem Messergeschäft habe der Messerangriff glücklicherweise nicht geschadet, so Born.
Der 23. August, der Tag des Anschlags, war eigentlich als Höhepunkt des Stadtjubiläums gedacht. Das „Fest der Vielfalt“ sollte 650 Jahre Solingen feiern. Viele Bürger hatten sich auf den Abend gefreut und an den Vorbereitungen teilgenommen. Der Anschlag habe etwas Schönes zerstört, sagt Born sichtlich bewegt gegenüber der F.A.S.
Drei Monate später präsentiert sich die Solinger Innenstadt von einer anderen Seite. Leerstehende Geschäfte, Nagelstudios und Dönerbuden prägen das Straßenbild. Rechtsanwalt Guido Eusani, der sich mit dem Verein „Mitteschmiede“ für die Wiederbelebung der Innenstadt engagiert, führt die F.A.S. durch die fast menschenleeren Straßen. Er zeigt auf das Wettbüro, vor dem im Sommer ein Sprengsatz explodierte, und auf ein Haus, das die Stadt einem kriminellen Clan abgekauft hat, um dessen Einfluss in der Innenstadt einzudämmen. Der Tatort und die Flüchtlingsunterkunft, in der der mutmaßliche Täter untergebracht war, befinden sich in unmittelbarer Nähe.
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