Oliven sind in der Türkei weit mehr als nur ein landwirtschaftliches Produkt. Sie sind eng mit der Kultur und der nationalen Identität verbunden und spielen eine entscheidende Rolle in der türkischen Wirtschaft. Doch wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 02.12.2024 berichtete, stehen Olivenbauern wie Sabit Ertür und das Ehepaar Uzunoğlu/Wagner vor wachsenden Herausforderungen. Dürreperioden und die anstrengende Arbeit erschweren ihren Alltag erheblich.
Die Olivenernte ist ein aufwändiger Prozess, der, wie Vaybee! zum Beginn der Ernte in Ayvalık berichtete, traditionell noch häufig per Hand erfolgt. Ayvalık zählt zu den wichtigsten Olivenanbaugebieten der Türkei und produziert rund 17 % des gesamten türkischen Olivenöls. Die Erntezeit ist nicht nur wirtschaftlich bedeutsam, sondern auch ein kulturelles Ereignis, das Familien und Gemeinschaften zusammenführt.
Die wirtschaftliche Relevanz der Olive für die Türkei zeigt sich in den steigenden Exportzahlen. Laut einem Bericht von Mundus Agri vom 22. Oktober 2024 erreichte der Exportwert türkischer Tafeloliven in der Saison 2023/2024 einen neuen Höchststand. Die Türkei liefert Oliven in über 120 Länder, wobei Deutschland und der Irak die größten Abnehmer sind. Für die kommende Saison erhoffen sich die Exporteure die Überschreitung der 100.000-Tonnen-Marke und einen Umsatz von 250 Millionen US-Dollar.
Die politische Dimension des Olivenanbaus beleuchtet ein Artikel von Barfuss vom 08.07.2021. Darin wird die Beschlagnahmung und der Export von Olivenöl aus der besetzten syrisch-kurdischen Region Afrin durch die türkische Regierung thematisiert. Dies führt zu erheblichen finanziellen Einbußen für die kurdischen Bauern und festigt die türkische Kontrolle über das Gebiet. Die Olivenernte wird so zu einem Instrument der politischen Machtausübung.
Auch die Auswirkungen des Erdbebens im Februar 2023 belasten die Olivenbauern. Wie die Heinrich-Böll-Stiftung in einer Reportage vom 5. Februar 2024 schildert, verursachte das Erdbeben in der Provinz Hatay immense Schäden. Viele Menschen flohen in umliegende Dörfer und suchten Arbeit in der Landwirtschaft, beispielsweise bei der Olivenernte. Mangelnde staatliche Unterstützung und zerstörte Infrastruktur führten jedoch dazu, dass beispielsweise viele Mandarinen an den Bäumen verrotteten, ein Beispiel für die prekären Bedingungen der Landwirte in der betroffenen Region.
Die Türkei hat sich in den letzten Jahren zum zweitgrößten Olivenölproduzenten weltweit entwickelt. Olive Oil Times berichtete am 27. April 2023 von einem Rekordjahr für die türkischen Produzenten, sowohl hinsichtlich der produzierten Menge als auch der Qualität des Olivenöls. Türkische Erzeuger gewannen zahlreiche Preise bei internationalen Wettbewerben, was die zunehmende Qualität des türkischen Olivenöls unterstreicht.
Die Aufhebung des Exportverbots für Olivenöl in großen Mengen im Oktober 2024, über die Olive Oil Times am 31. Oktober 2024 berichtete, eröffnet den türkischen Produzenten neue Absatzmöglichkeiten auf dem Weltmarkt. Sie hoffen, ihre Exporte in Länder wie die USA, Japan und Australien zu steigern und mit europäischen Herstellern in Konkurrenz zu treten. Die Aufhebung des Verbots gilt als positive Entwicklung für die Branche, die mit hohen Lagerbeständen und der Herausforderung kämpft, vermehrt einzeln verpacktes Olivenöl zu exportieren.
Die Olivenernte in der Türkei ist somit ein vielschichtiges Thema mit wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Aspekten. Sie ist ein bedeutender Wirtschaftszweig und Symbol der türkischen Identität, gleichzeitig aber auch ein Politikum, das die Spannungen und Konflikte innerhalb des Landes widerspiegelt.
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