Die Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel, und Volkswagen, Europas größter Autobauer, befindet sich mitten in diesem Umbruch. Die ambitionierte Elektrostrategie des Konzerns, vorangetrieben vom ehemaligen CEO Herbert Diess, wird nun angesichts der aktuellen Marktentwicklungen und interner Meinungsverschiedenheiten auf den Prüfstand gestellt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 02.11.2024 berichtete, gibt es innerhalb des VW-Managements unterschiedliche Ansichten über den weiteren Kurs, insbesondere in Bezug auf das geplante Verbrenner-Aus in der EU ab 2035.
Während Konzernchef Oliver Blume, der auch Porsche leitet, öffentlich am Verbrenner-Aus festhält und auf die bereits getätigten Investitionen in die Elektromobilität verweist (F.A.S.-Interview, April 2024), gibt es im Konzern auch kritische Stimmen. So forderte Lutz Meschke, Finanzchef und stellvertretender Vorstandschef von Porsche, kürzlich ein Ende des Verbrenner-Verbots. Er befürchtet, dass insbesondere Autozulieferer unter dem Festhalten an diesem Zeitplan leiden werden (F.A.Z., 02.11.2024). Dieser Dissens innerhalb der Führungsspitze verdeutlicht das Dilemma, vor dem Volkswagen steht.
Die schwache Nachfrage nach Elektroautos, insbesondere in wichtigen Märkten wie China, setzt den Konzern unter Druck. Wie Capital+ am 13.03.2024 berichtete, hält Blume trotz des Gegenwinds an den Elektrifizierungsplänen fest. Er betont die technologische Überlegenheit von E-Autos und sieht im Klimaschutz eine zentrale Motivation für den Umstieg. Gleichzeitig fürchtet Volkswagen hohe Strafzahlungen, sollte der CO2-Ausstoß der verkauften Flotte die geltenden Grenzwerte überschreiten. Um die Verkäufe anzukurbeln, gewährt der Konzern derzeit hohe Rabatte auf seine E-Modelle.
Die Situation wird durch die gleichzeitig notwendigen Investitionen in die Verbrennertechnologie verschärft, wie Finanzchef Arno Antlitz betonte. Das Jahr 2024 wird als "anspruchsvolles Jahr" eingeschätzt (Capital+, 13.03.2024). Die Umrüstung von Werken auf die E-Auto-Produktion, wie in Zwickau und Emden, führt bei schwacher Nachfrage zu Unterauslastung und stellt den Konzern vor herausfordernde Anpassungsprozesse. Bereits jetzt wurden befristete Verträge nicht verlängert.
Wie finanzmarktwelt.de am 16.05.2024 berichtete, hat Volkswagen seine ursprünglichen Pläne, vollständig auf Elektroautos zu setzen, revidiert. Die Kernmarke plant nun, mehr Plug-in-Hybride anzubieten, um den nachlassenden Absatz reiner E-Autos auszugleichen. Auch die Suche nach externen Investoren für die Batteriesparte wurde eingestellt, und Pläne für eine neue Elektroautofabrik in Deutschland wurden aufgegeben. Diese Anpassungen der Strategie zeigen, dass Volkswagen auf die veränderten Marktbedingungen reagiert.
Der Konzern steht vor der Aufgabe, eine Balance zwischen den Investitionen in die Zukunft der Elektromobilität und der Sicherung der kurzfristigen Profitabilität zu finden. Die Debatte um das Verbrenner-Aus und die strategische Ausrichtung des Konzerns werden Volkswagen in den kommenden Monaten weiter beschäftigen.
Greenpeace hat Volkswagen verklagt, um den Konzern zu einem schnelleren Ausstieg aus der Verbrennertechnologie zu zwingen (greenpeace.de, 25.07.2024). Die Klage eines Bio-Bauern wird vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt. Der Bauer argumentiert, dass Volkswagen durch den Verkauf klimaschädlicher Autos mitverantwortlich für Schäden an seinem Hof sei. Das Urteil in diesem Fall könnte weitreichende Folgen für die Automobilindustrie haben.
Die Diskussion um die Zukunft der Mobilität und die Rolle von Volkswagen in diesem Transformationsprozess wird auch in der Politik kontrovers diskutiert. Jens Spahn (CDU) fordert ein Ende des "desaströsen E-Auto-Zwangs" und sieht die Verantwortung für die Krise der deutschen Autoindustrie auch bei Fehlentscheidungen des VW-Managements (Merkur.de, 18.09.2024). Die kommenden Monate werden zeigen, welchen Weg Volkswagen einschlagen wird und wie sich die Automobilindustrie in Deutschland neu aufstellen wird.
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